DDR will ihre Kasse sanieren

■ Nach dem Parteitag der SED mit Gysi als neuem Vorsitzenden will die DDR um die Verbesserung der ökonomischen Lage kämpfen / Ministerpräsident Modrow setzt eine Regierungskommission ein

Berlin (dpa/ap/taz) - “'S‘ wie Sauwirtschaft, 'E‘ wie Egoismus und 'D‘ wie Diebstahl“ - mit diesen Worten ging ein Vertreter des DDR-Gaskombinats Schwarze Pumpe mit der SED ins Gericht, die auf ihrem Parteitag am Samstag den 41jährigen Rechtsanwalt und Reformer Gregor Gysi zum neuen Vorsitzenden gewählt hatte. Nach den Bemühungen der SED um ein letztes Aufgebot und einen Neuanfang rückt nun die Bewältigung der „Sauwirtschaft“, die Bewältigung des ökonomischen Erbes der letzten vierzig Jahre, in den Mittelpunkt.

Ministerpräsident Hans Modrow bezeichnete am Samstag die bevorstehende Wirtschaftsreform als den „harten Kern der Erneuerung des Sozialismus im Lande“. Auf einer Arbeitstagung mit Direktoren von Kombinaten und Betrieben warnte Modrow zugleich, „das Abnabeln vom Alten“ dürfe nicht zu einem wirtschaftlichen Chaos führen. Der Ministerpräsident gab die Gründung einer Regierungskommission zur Vorbereitung einer Wirtschaftsreform bekannt und deutete die Bereitschaft der DDR an, sich stärker für Investitionen aus dem westlichen Ausland zu öffnen.

Modrow erklärte, die Regierung arbeite an gesetzgeberischen Vorleistungen, die bis zur Sicherung des Kapitaltransfers bei Joint ventures reichten. Bis zur endgültigen Entscheidung durch das Parlament - unter anderem sei eine Verfassungsänderung notwendig - würden Übergangslösungen geschaffen. Der Chef der Staatlichen Plankommission, Gerhard Schürer, sprach Fortsetzung auf Seite 2

FORTSETZUNG VON SEITE 1

sich dafür aus, bundesdeutschen Firmen die international üblichen Profitraten zu ermöglichen. Angesichts der allgemeinen Bereitschaft zur Zusammenarbeit verwundert nicht, wenn auch der Leiter des Kombinats Kernkraftwerke forderte, auf dem Gebiet der Atomwirtschaft auch Angebote westlicher Partner zu prüfen. Vor dem Hintergrund solcher Signale häufen sich handfeste Projektvorschläge aus der Bundesrepublik. Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann will noch in dieser Woche in Ostber

lin erste Vereinbarungen treffen, die möglichst bald zur „Neustrukturierung der DDR-Wirtschaft von unten“ führen sollen.

Während die bundesdeutsche Wirtschaft das Motto „Go East“ längst auf ihre Fahnen geschrieben hat, zeigten sich die Bonner Parteien am Wochenende eher skeptisch über die politische Entwicklung in der DDR, namentlich die Ergebnisse des SED-Parteitags. Weder die neue Führungsspitze, noch die neue Mannschaft oder das neue Programm lösten enthusiastische Reaktionen aus. Schon fast eine Ausnahme bildete Helmut Kohl, der von einer „elementaren Veränderung“ sprach. Dagegen warfen CDU und

FDP der SED „Etikettenschwindel“ vor. Für die Grünen erklärte Fraktionssprecher Helmut Lippelt, die „Bußübungen“ des Parteitags würden nicht viel nützen. Auch mit neuen Namen und Gesichtern sei das Vertrauen der Büger nicht zurückzugewinnen. „Die neue SED wird in Zukunft eine marginale politische Kraft in der DDR sein,“ meinte der Politiker.

Offensichtlich sieht die SED das nicht viel anders. Zum Abschluß des Parteitags wurde noch nicht einmal mehr die „Internationale“ angestimmt. Zum ersten Mal gingen die Delegierten auseinander, ohne sich versichert zu haben: „Wir sind die Stärkste der Parteien“.

b.s.