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„Power“ aus der Sucht?

■ Warum weibliche Sucht - und Suchttherapie - andere Fragestellungen verlangt / Gedanken der „Zwiebel„-Mitbegründerin Ulla Falke-Roos

Kann Süchtig-Werden für Frauen ein Stück Freiraum bedeuten? Eine der Fragen, die in der Lesbenkulturetage „Araquin“ die Gemüter erhitzte, als Ulla Falke-Roos, „Zwiebel„ -Mitbegründerin und Suchttherapeutin, dort letzte Woche ihre Erfahrungen und Gedanken zur Suchtarbeit mit Frauen vortrug. Zusammen mit einer Kollegin gründete die Sozialpädagogin 1981 die „Zwiebel“ als erste therapeutische Wohngemeinschaft für Frauen in der BRD und West-Berlin.

Davor hatte sie schon etliche negative Arbeitserfahrungen in gemischtgeschlechtlichen Suchteinrichtungen gesammelt. „Endlose Abgrenzungsdebatten und erbitterter Widerstand der Männer im Team“, so die Therapeutin, löste zum Beispiel die Einrichtung von Verhütungs- und Menstruationsgruppen für Frauen in einer niederländischen Therapieeinrichtung aus. Mit einer erdrückenden Mehrheit von Männern und an Männern orientierten Therapieinhalten konfrontiert, brach dort ein Großteil der Frauen die Therapie vorzeitig ab. Vorzeitige Therapieabbrüche sind allerdings auch der reinen Fraueneinrichtung „Zwiebel“ nicht erspart geblieben: „Wenn die Frauen meinten, wieder im Sinne der Rollenerwartungen als gute Mutter, Hausfrau und Sexualpartnerin zu funktionieren, haben manche die Koffer gepackt.“ Oft hat dies schlimme Rückfälle und die Bitte um Wiederaufnahme in der „Zwiebel“ zur Folge. Massiv waren die „Zwiebel„ -Mitarbeiterinnen auch mit der Problematik des sexuellen Mißbrauchs konfrontiert; und 80 Prozent der Bewohnerinnen waren nach Falke-Roos‘ Einschätzung davon betroffen. Vor ihrem „Zwiebel„-Aufenthalt hatte kaum eine darüber mit jemandem gesprochen. „Das viel beschriebene Prinzip, daß Frauen sehr viel sehr lange aushalten“, hat Falke-Roos auch darin bestätigt gesehen.

Nach sechs Jahren ist sie selbst aus der „Zwiebel“ ausgestiegen: Das Gefühl „eng im Kopf zu werden“ und in therapeutischer Routine zu erstarren, nahm überhand. Die zwei Jahre Pause, die sie sich danach gönnte, haben ihr „wichtige Einsichten“ gebracht. So konnte sie nun eher die „positiven Anteile“ weiblicher Sucht erkennen: Der weibliche Griff zur Pulle müsse als mißlungener weiblicher Ausbruchversuch verstanden werden, in dem jedoch ein ungeheures Potential an Kraft und Energie stecken könne. Diese „Power“ gelte es im therapeutischen Prozeß zu nutzen, sie dürfe nicht wieder durch rigide therapeutische Rahmenbedingungen erstickt werden. Unter Umständen könne dies auch „eine Abkehr vom Schutz des Abstinenzprinzips“ bedeuten und verlange generell nach „neuen Überlegungen und Konzepten“.

Konkret hat sie die freilich im Moment auch noch nicht im Kopf, dafür aber „so einige Ideen“: Eine davon ist, in Zukunft vermehrt ambulant zu arbeiten, um so vor allem Frauen für den Entzug zu gewinnen. Denn auch hier ist der süchtige Mann privilegiert, das Angebot primär auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Falke-Roos: „Wenn ein Mann eine stationäre Therapie anfängt, fragt kein Mensch: Was machst du mit deinen Kindern? Das hingegen wird die Frau als allererstes gefragt!“

Dagmar Schediwy

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