Monatskarte fürs Auto

■ In Stockholm muß jeder Autofahrer eine Monatskarte für den Nahverkehr haben / Verkehrsbetriebe-Direktor informierte über das neue Konzept

Bo Peterson ist Direktor der Stockholmer Verkehrsbetriebe, die ein richtungsweisendes Modell für den innerstädtischen Verkehr enwickelt haben. Ab 1. September nächsten Jahres müssen die Autofahrer der schwedischen Hauptstadt „Eintrittsgebühren“ für die Innenstadt zahlen. Sie dürfen nur noch in die City, wenn sie eine Monatskarte für das öffentliche Nahverkehrsnetz kaufen und sich diese an die Windschutzscheibe heften. Auch eine Preis-Pädagogik ist eingebaut: Die Autofahrer können sich für eine billige Version Auto plus Nahverkehr (300 Kronen) und eine teurere nur fürs Auto entscheiden.

taz: Wie steht es um die Akzeptanz des Modells bei der Bevölkerung?

Bo Peterson: Umfragen haben ergeben, daß 70 Prozent der Bevölkerung bereit sind, für Umweltschutz mehr zu bezahlen. 80 Prozent der Schweden wären sogar bereit, zum Schutz der Umwelt ihren Lebensstandard zu senken. Wir rechnen damit, ein Viertel der Autofahrer zum Umsteigen auf U- und S-Bahnen zu bewegen. Die politischen Parteien sind alle dafür, bis auf die Konservativen, denen geht das zu schnell.

Wie ist der öffentliche Nahvehrkehr in Stockholm ausgebaut?

Nicht gut genug, wir brauchen neue S- und U-Bahnlinien und einen neuen Fahrzeugpark. Außerdem wollen wir Ampeln mit Vorfahrt für Busse und einige Park-and-Ride-Plätze einrichten. Die Autofahrer sind ein sehr bequemes Volk, deswegen müssen wir die Qualität des Nahverkehrs verbessern. Wir wollen ja vor allem die Pendler erreichen, von denen noch die überwiegende Mehrheit mit dem Auto zur Arbeit in die City fährt.

Gibt es Vorbilder?

Ja, in Singapur und in Norwegen gibt es solche Versuche. Aber im Gegensatz zu Stockholm fließen die Mehreinnahmen dort nicht in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Wir wollen direkt investieren und den Nahverkehr attraktiver machen.

Wie wollen Sie die Autofahrer kontrollieren?

Die Innenstadt von Stockholm liegt auf einer Insel. Wir kontrollieren die Ein- und Ausfahrstraßen und machen Stichproben in der City. Wird ein Auto ohne Gebührenkarte von zwei verschiedenen Politessen innerhalb des Innenstadtgebietes notiert, ist eine Strafgebühr von 500 Kronen fällig. Die Monatskarte ist 200 Kronen billiger.

Zu welchen Tageszeiten müssen die Autofahrer die Monatskarte an der Scheibe haben?

Die Gebührenpflicht gilt von Montag bis Donnerstag, jeweils von 7 bis 18 Uhr. Am Freitag darf man schon ab 16 Uhr ohne in die Innenstadt. In den Sommerferien besteht die Gebührenpflicht nicht.

Sind Sie mit dem Auto vom Flughafen gekommen?

Ja, mit dem Taxi.

Finden Sie, Berlin braucht eine ähnliche Reglung?

Natürlich. Der Taxifahrer beispielsweise hatte die Lüftung auf Full geschaltet, dadurch war die Luft im Auto voller Schadstoffe. Der Mann ist in 20 Jahren tot.

Die Automobilindustrie ist auch in Schweden eine Macht. Gab es von dieser Seite Behinderungen?

Nein, der Chef von Volvo ist selbst für eine autofreie Innenstadt.

Wann soll das Gesetz in Kraft treten?

Zur Zeit beschäftigt sich die Regierung noch mit unserem Vorschlag. Im Mai entscheidet das Parlament. Geht es durch, tritt es ab 1.9.199O in Stockholm in Kraft.

Wie stehen die Chancen?

Ich denke, 8O zu 20 für das Gesetz.

Gibt es in Stockholm Smogalarm und eine Smogverordnung?

Nein. Wir haben aber ein Gesetz in Arbeit, das sich stark an der Berliner Smogverordnung orientiert.

Was machen Sie mit den Parkflächen, die dann ab September frei werden ?

Daraus wollen wir Grünflächen, Busspuren oder Radwege machen.

Interview: Torsten Preuß