Einladung zum Nachdenken

■ In Polen startet Kieslowskis Dekalog als Fernsehserie / Presseecho durchweg positiv

Wir haben uns bemüht, in die Filme Emotionen zu bringen, die Leute sollen lachen und weinen mit dem Film. Die Reaktionen in allen Ländern, wo die Filme im Kino liefen, zeigte, daß sie völlig unabhängig sind vom Umfeld; jeder versteht die Filme, weil sie nur von den persönlichen Erfahrungen der Zuschauer abhängen“, meinte Krzysztof Kieslowski in einer Diskussion im polnischen Fernsehen. Thema: Der Dekalog Kieslowskis, eine Serie von zehn Filmen, von denen jeder eines der zehn Gebote illustriert. Am bekanntesten: Der kurze Film vom Töten und der Der kurze Film über die Liebe.

Ausgezeichnet mit zahlreichen internationalen Preisen, darunter dem Preis der internationalen Kritik in Venedig, werden alle zehn Filme nun im polnischen Fernsehen zu sehen sein. Thema aller Filme: wie Menschen wie du und ich mit den moralischen Imperativen des Dekalogs fertig werden. Kieslowski: „Wir zeigen keine ethischen Anweisungen, keinen erhobenen Zeigefinger, wollen Belehrung um jeden Preis vermeiden. Die Fragen, die in den Filmen gestellt werden, muß sich jeder selbst beantworten.“

Nach einer Welle von reinen Unterhaltungsfilmen, mit denen Polens jüngere Regisseure in den letzten Jahren auf die Verjüngung des Kinopublikums reagiert haben, sind Kieslowskis Filme der erste große Erfolg beim Versuch, Unterhaltung und ernsthafte Thematik miteinander zu verbinden. „Eine Einladung zum Nachdenken“, befindet die Warschauer Tageszeitung 'Zycie Warszawy‘ über die Filme. Der Inhalt ist dem Alltag entnommen, bestätigt auch Kieslowski, aber nicht dem bekannten polnischen grauen Alltag. „Den kennen die Leute zur Genüge. Wir behandeln Themen, die darüber stehen.“

In gewisser Weise stehen Kieslowskis Filme in der Tradition des ebenfalls berühmten polnischen Regisseurs Zanussi. Auch der lehnt es ab, reine Unterhaltung mit Happy-End zu produzieren, und hat dennoch Erfolg: in Polen und international. Auch er stellt seinen Alltagshelden moralische Fallen und, wie bei Kieslowski, besteht die Attraktion seiner Filme vor allem darin, daß sich der Zuschauer mit den „Helden“ identifiziert, anfängt, sich in deren Dilemma hineinzuversetzen. Dabei, so findet auch 'Zycie Warszawy‘, geht es gar nicht darum, das Dilemma zu lösen, sondern bloß darum, die Handelnden zu verstehen.

Kieslowski über das Entstehen seines Dekalogs: „Die Drehbücher beruhen nicht auf tatsächlichen Vorkommnissen, wir haben nur bestimmte Anregungen aufgegriffen, manche Situationen, die wir beobachtet oder selbst erlebt haben, zu Ende gedacht.“

Klaus Bachmann