Jump and drive

Der Abstieg vom Stallknecht in die VIP-Loge  ■  P R E S S - S C H L A G

Schön, daß es in einer programmierten Welt noch Dinge gibt, die einen aus dem Sattel hauen. So geschehen beim Reitturnier in der altehrwürdigen Frankfurter Festhalle. Statt einen Blick von der Tribüne aus auf den Parcour werfen zu können, wo Roß und Reiter gemeinsam über Hindernisse hüpften, gewährten die Ordner dem Reporter nur Zugang zu den Pferdeställen. Das Geheimnis der Maßnahme lüftete sich schnell: das für die taz hinterlegte Eintrittsband entpuppte sich bei näherem Hinsehen als Ausweis der Pferdeknechte.

Zwar ließen sich als Angehöriger dieser traditionsreichen Zunft völlig neue Eindrücke erwerben, aber der Pressereferent des 2,5 Millionen teuren Spektakels war doch noch zu überzeugen, und es begann der unaufhaltsame Aufstieg, von dem ein Pferdeknecht sonst nur im Kolportageroman liest. Aus dem Mist der Ställe hinauf in VIP -Loge führte der abenteuerliche Ausflug, doch auf der Tribüne ergaben sich erneut nur seltsam fremde Gefühle: Statt gestriegelten, vierbeinig-wiehernden Pferdestärken brummte ein 90-PS-starkes Gefährt (Motto: Autos zum Leben) zwischen den Hindernissen herum.

Aufgeführt wurde der Wettbewerb „Jump and drive“, Sponsorenidee einer französischen Autofirma. Gag und Showeinlage war das, dem 17 Jahre abstinenten Frankfurter Pferdepublikum zum Pläsier dargeboten, wobei der Reiter gleich zweifach gefordert wurde: wenn Graben und Barren überwunden waren, kam das Pferd in die Ecke und wurde durch maschinellen Antrieb ersetzt. Hinters Steuerrad schwang sich der Reiter und düste mit mechanischer Kraft durch den autogerechten Parcour. Mit Kat, versteht sich. Und einen Weltcup für die zehn Zeitschnellsten gibt es auch.

Selbst frei von nostalgisch-romantischem Blick, eines fiel dennoch auf: Das Sinnbild der vorindustriellen und ökonomisch veralteten Fortbewegungstechnik - das Pferd wirkt bei jump and drive hoffnungslos anachronistisch. Wurde es bislang noch für den Showsport gebraucht, so hat es auch da bald seine Schuldigkeit getan. Das zeitgeistbesessene und daher sich für zeitgenössisch haltende Publikum machte der Unfug tierischen Spaß.

Für die sich ewig weiterdrehende Showspirale bieten sich da völlig neue Perspektiven. Was geschieht, wenn nicht ein Autokonzern das Pferdspringen kauft, sondern eine Bank? Müssen die Reiter, den Wassergraben durchschwimmend, dann Kontoauszüge der Sponsorkasse abstempeln?

Darüber kann ein Pferdeknecht nicht mal mehr lachen.

Torsten Haselbauer