Winkelzüge

Oskar Lafontaine drückt sich um klare Antworten  ■ K O M M E N T A R

Oskar Lafontaine gehört immer zu den fixesten Funktionären seiner Partei, wenn es darum geht, Kurskorrekturen auszuloten und Begriffe zu besetzen. Er läuft dabei zuweilen Gefahr, Begriffe wie eroberte Gebiete in Besitz zu bringen, ohne der Inhalte zu achten. Das trägt manchmal bemerkenswerte Züge; so hantiert er seit zwei Wochen mit einer selbstverständlichen Schlitzohrigkeit mit dem Begriff „Patriotismus“, als habe dieser schon immer zu seinem Wortschaftz gehört. Patriotisch sei es, nicht noch Prämien für Übersiedler zu zahlen, sagt er und kramt nun gar eine alte Verordnung von 1950 hervor, bei der Aufenthaltsgenehmigungen für DDR-Übersiedler an den Nachweis von Job und Wohnung geknüpft sind.

Daß Lafontaine mit seinen Winkelzügen auf mögliche soziale Spannungen in der Bundesrepublik durch den übersiedlerstrom reagieren möchte, ist eine Sache. Daß er sich dabei teilweise des dumpfen Gebräus der Stammtischrunden und des Ideenguts der Republikaner bedient, eine andere. Lafontaine drückt aus, was die Republikaner bei der massenhaften Heimkehr der deutschen Brüder und Schwestern gern sagen möchten, angesichts ihrer ideologischen Deutschtümelei aber besser unterlassen. In diese Lücke ist Lafontaine gesprungen, und er macht Punkte damit.

Dabei geht es nicht nur um Wohnungen und Arbeitsplätze. So verdient die Frage, wie das bundesdeutsche System der Rentenversicherung, der Gesundheitsversorgung und der Sozialkassen weiterhin finanzierbar bleibt, eine ehrlichere Beantwortung jenseits jener dumpfen Ängste vor Überfremdung, auf die Lafontaine das Problem reduziert.

Lafontaine hat natürlich Gründe für ein solches Verhalten. Er möchte die Festlegung vermeiden, welche Staatsform er für die beiden Deutschlands anstrebt. Er taktiert in dieser Frage herum, aus Sorge, weitere Schelte von der CDU zu kassieren und auch, um den Konflikt mit dem anwachsenden Lager der Neu-Vereiniger in der SPD zu vermeiden. Sozialexperten wie der Berliner Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) ist längst klar, daß eine unabsehbare finanzielle Belastungen der Sozialsysteme nur durch eine Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft zu vermeiden ist. Um diese klare Antwort will sich Oskar Lafontaine drücken. Welchen Schaden er mit seiner rechten Stimmungsmache anrichtet, läßt er ebenfalls außer acht.

Gerd Nowakowski