Bombenanschlag auf Bayer knapp gescheitert

„Kämpfende Einheit“ wollte an Monheimer Forschungsstätte einen Sprengsatz zünden / Das Bekennerschreiben wurde vorzeitig gefunden / Bombe wurde entschärft / In dem Schreiben wird deutlich Bezug auf den letzten RAF-Hungerstreik genommen  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Ein Anschlag auf das Pflanzenforschungszentrum der Bayer AG in Monheim bei Düsseldorf ist am Sonntag offenbar nur knapp gescheitert. Nachdem ein Spaziergänger zufällig ein hinterlegtes Bekennerschreiben in der Nähe des Werksgeländes entdeckte und die Polizei verständigte, konnte die Bombe mit insgesamt sechs Kilogramm Sprengstoff rechtzeitig entschärft werden. Der Sprengsatz bestand aus zwei Bundesbahn-Gasflaschen und einer elektrischen Zündvorrichtung, die in einer Segeltuchtasche zwischen einem Tank und einer Außenwand eines Laborgebäudes deponiert waren. Noch während der Sprengsatz mit ferngesteuerten Robotern entschärft wurde, warnte ein unbekannter Anrufer telefonisch bei einer Pfarrei vor der bevorstehenden Explosion. In dem Bekennerbrief, der der taz vorliegt, bekennt sich eine „kämpfende Einheit Sheban Atlouf/Conny Wissmann“ zu dem versuchten Anschlag. Conny Wissmann war am 17. November in Göttingen nach einer Auseinandersetzung mit Skinheads vor Polizisten geflohen und von einem Kraftwagen überfahren worden. Bei Sheban Atlouf handelt es sich nach dem Bekennerschreiben um einen „palästinensischen Genossen, der 86 vom zionistischen Militär ermordet wurde“.

Unter dem Namen „Atlouf“ hatte bereits am 25. Juli 1986 eine „kämpfende Einheit“ für einen Bombenanschlag auf das Institut für Lasertechnik des Aachener Fraunhofer-Institutes die Verantwortung übernommen. Auch damals wurde ein sechsseitiges Bekennerschreiben am Tatort aufgefunden.

Das Forschungszentrum des Chemie-Multis sei „angegriffen“ worden, weil die dort betriebene Forschung der Bayer AG „ein Standbein in ihrer Herrschaft auf dem weltweiten Agrarmarkt“ bilde. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Bio und Gentechnologie, die als Bereiche „ausschließlich durch die imperialistischen Staaten kontrolliert werden“.

Der überwiegende Teil der eineinhalbseitigen Erklärung bezieht sich nicht auf den Adressaten des mißglückten Anschlages. „Uns geht es darum, nach den Erfahrungen im Hungerstreik und den zwei Jahren davor einen neuen Anfang zu finden“, heißt es und: „Wir wollen die Schwäche militanter Politik im Widerstand durchbrechen, die sich zuletzt im Hungerstreik deutlich und schmerzlich gezeigt hat.“ Unter deutlicher Bezugnahme auf den letzten Hungerstreik der RAF -Gefangenen - bei dem die Inhaftierten ihre Forderung nach einer Zusammenlegung nicht durchsetzen konnten - reklamiert die „kämpfende Einheit“ als Ziel: „die defensive Situation des militanten Widerstandes aufzuheben und so die Bedingungen auch für die Durchsetzung der Forderungen der revolutionären Gefangenen zu erkämpfen“.

Die Karlsruher Bundesanwaltschaft (BAW) hat die Ermittlungen an sich gezogen. BAW-Sprecher Förster zählte gestern die „kämpfenden Einheiten“ zum Umfeld der Roten Armee Fraktion. Die Deutsche Presse-Agentur zitierte gestern Experten, wonach der versuchte Anschlag in Monheim ein „typischer Begleitanschlag“ der „zweiten kämpfenden Ebene der RAF“ sein soll. Die Mitglieder des RAF-Umfeldes hätten damit ein Zeichen setzen wollen, daß nach dem Attentat auf den Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, „auch die RAF-Leute unterhalb der Kommandoebene 'kampfbereit‘ seien“.