Abgesang

■ Günter Schabowskis Monolog

Auf den Gängen des SED-Parteitags: Ein führender Genosse stellt sich der fragenden Basis

„...Natürlich hatte ich eine Datscha, auch mit Fernseher. Aber ich habe von meinem Geld gelebt. Ich gebe aber ehrlich zu, nach vier, fünf Jahren im Politbüro hätte ich vielleicht Häuser gehabt. Wenn man mir ein Grundstück angeboten hätte... Ich will mich nicht beklagen, aber diese Tage, diese Situation ist schon schwer. Ich muß mir Gedanken machen, wie meine Familie lebt. Ich hatte ja nur ein Parteiamt, habe keine soziale Absicherung wie in den Staatsämtern.“ Eine Genossin: Mein Sohn ist im ersten Jahr Politoffizier, und ich habe ihm noch dazu geraten... „Ja, das ist bitter, das betrifft auch die Kreisleiter.“ Und Wandlitz? „In Wandlitz waren wir doppelt isoliert. Gegenüber dem Volk, aber auch untereinander. Wenn's hochkam, grüßten wir uns... Auch mir fiel es schwer, vor dem Generalsekretär zu reden. Das kann man sich nicht vorstellen. Honecker redete wirklich überall hinein. Selbst in den Leitartikel im 'Neuen Deutschland‘ hatte er den Satz „Wir weinen den Aussiedlern keine Träne nach“ hineinredigiert. Mit den Aussiedlern, mit Botschaftsbesetzern fing es an. Das war nicht mehr aushaltbar: Jeden Morgen waren es 400 mehr... Ich habe den Personenkult immer abgelehnt. Bei Betriebsbesuchen habe ich mir Rechenschaftsberichte verbeten, habe gleich gefordert, daß über die Probleme geredet wird. Aber, natürlich, wir haben Lückenbüßerei getrieben. Das Wohnungsbauprogramm war ja richtig... Aber dann wurde es zu einer Prestigesache, mit dem Namen Honecker verbunden. Was habe ich gemacht? Wenn da 100 Sack Zement oder 5 Gabelstapler fehlten, habe ich die organisiert. Ich habe aber nicht daran gedacht, daß die dann anderswo fehlten. Es war das System, das falsch war... Auch wir kannten ja nicht die richtigen Zahlen. Mittag regierte ja an uns vorbei. Wir wußten nicht, daß die DDR an der Grenze der Zahlungsunfähigkeit stand.“ Wer hat eigentlich den Befehl am 7.Oktober gegeben? „Also wir wußten es nicht, wer am 7. oder 8. den Einsatzbefehl gegeben hat.“

KH