Haus am Fedelhören besetzt

■ Obdachlose beschlagnahmen ein ausgesprochen günstiges Wohnobjekt / Ohne Kläger keine Straftat keine Räumung

„Knapper Wohnraum hohe Mieten, lassen wir uns nicht länger bieten.“ Am Haus Fedelhören Nummer 45 hängt ein großes Transparent. Und daß die Aufschrift wörtlich zu verstehen ist, haben gestern nachmittag rund 50 BremerInnen deutlich gemacht. Nach einer Demonstration der „sozial Benachteiligten“ durch das Ostertor und dem Aufstellen von Zelten in den Wallanlagen wurde kurzerhand das seit etwa einem Jahr leerstehende Haus am Fedelhören besetzt. Für „Haftentlassene, alleinstehende Wohnungslose, Drogenabhängige, psychisch Kranke, Behinderte, Flüchtlinge, mißhandelte Frauen, Sintis, SozialhilfeempfängerInnen, StudentInnen und Jugendliche“, sei der Wohnungsmarkt völlig verschlossen, hatten die Wohnungsinitiativen in einem Flugblatt die Demonstration begründet. Und in der Tat: Viele von denen, die mitbesetzten, haben in diesem Winter Wohnraum bitter nötig. Und die Chancen, daß das geräumige Haus für eine längere Übergangszeit quasi legal besetzt bleiben kann, stehen nicht schlecht. Stimmen die Informationen, die ein Sprecher einer Wohnungsinitiative den BesetzerInnen gab, dann gehört das Haus einem türkischen Arzt, der sich wegen Spielschulden in die Türkei abgesetzt hat. „Wie ist das, wenn wir uns entschließen hier zu wohnen, was kann dann passieren“, fragte einer der Besetzer nach. Für eine Räumung durch die Polizei, so erläuterte da der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Horst Frehe, der sich zu den Besetzern gesellte, bedürfe es einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Frehe: „Eine Straftat sehe ich nicht, denn offensichtlich ist keiner da, der Anzeige stellen kann. Das ist eine ausgesprochen günstige Situation.“

Zehn Hände melden sich, als ein Mitarbeiter der Wohnungshilfe fragt, wer denn nun konkret in dem Haus wohnen möchte. „Und da kommen noch viel mehr, wenn sich das rumspricht“, weiß einer zu berichten.

Ihren Ausgangspunkt hatte die Besetzung in einer Demonstration über den Ostertorsteinweg zum Kennedy-Platz. In den Wallanlagen wurden Zelte aufgestellt. Mit Flugblättern taten die etwa 100 Demonstranten kund - viele von ihnen in Rollstühlen - worum es geht. „Um die wenigen preisgünstigen Wohnungen findet in der gegenwärtigen Situation eine gnadenlose Konkurrenz unter den Benachteiligten und ihren Hilfsorganisationen statt“, heißt es da. Und: „Wir und unsere Initiativen stehen weniger im Rampenlicht der Öffentlichkeit, als die Übersiedler aus der DDR. Wir sind dennoch mindestens genauso von der Wohnungsnot betroffen.“

Vom Senat verlangen die Gruppen einen angemessenen Anteil an den neugeschaffenen und freiwerdenden Wohnungen für sozial benachteiligte Gruppen und den sofortigen Ankauf von Wohnungen zur Verringerung der akuten Wohnungsnot.

Zumindest in dem dreigeschossigen Altbremer Haus im Fedelhören ist nun Platz für mindestens 25 BewohnerInnen. Da gibt es große, helle Räume, die zum großen Teil in einem passablen Zustand sind, und die Elektroinstallationen funktionieren fast alle. Und wie man Mobiliar organisieren kann, da hat einer der Anwesenden einen guten Vorschlag. In der Bohnenstraße hat er einen großen Haufen Sperrmüll gesehen, darunter passable Wohnungen. Die wollen sich die Hausbesetzer erst einmal herbeiholen. Ein anderer hat einen Vorschlag, wie das Geschlechterproblem zu lösen sei. Die Frauen sollen doch sagen, welche Etage sie bewohnen wollen, „dann nehmen wir die anderen.“ Beifall. Und damit es noch ein bißchen wohnlicher wird, wollen die BesetzerInnen ein paar Mark zusammenschmeißen, um Farbe an die Wände zu bringen.

hbk