Messe 2000 - haste mal 'ne Milliarde?

■ Das Messegelände am Funkturm soll gänzlich umgebaut werden Ohne Wettbewerbe wird unter Zeitdruck ein Milliardenprojekt durchgepeitscht

Unter dem harmlosen Begriff „Messestadt Berlin“ wird derzeit unter Ausschluß der Öffentlichkeit ein gigantisches Bauprojekt in die Wege geleitet. Die AMK, landeseigene Gesellschaft und Verwalterin des Messegeländes unterm Funkturm, braucht Platz, sagt sie, und zwar schnell. Zur Funkausstellung im Juni 1991 müßten 15.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche geschaffen sein. Und weil das Wort der AMK Gewicht hat im Land Berlin, beginnen derzeit auf der Grundlage eines städtebaulichen Gutachtens der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz die Bauplanungen für ein futuristisches Milliardenprojekt. Ohne Architektenwettbewerbe und ohne öffentliche Diskussion.

„Zeitdruck“ heißt das Argument, denn die Funkausstellung hat angeblich gedroht, 1991 den Standort zu wechseln, wenn bis dahin die neue Halle nicht fertig sei. Und weil man der AMK nicht erlauben wollte, einfach irgendwohin eine neue Halle zu bauen, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein Gesamtkonzept in Auftrag gegeben. Die Vorgaben: Berlin soll als Messestandort ausgebaut werden, die AMK soll sich erweitern - und die alten Eichen an der Jaffeestraße müssen stehenbleiben. Mit der Planung beauftragt wurde der Architekt O.-M. Ungers. Und der hat sich mit Leidenschaft und weitgehend an ein Konzept fürs 20. Jahrhundert gemacht. Ein Büroturm, der mit der Höhe von 124 Metern dem Funkturm Konkurrenz macht, ist Teil der Planung. Die Jaffeestraße soll verlegt werden, und das neue Messezentrum bekommt einen eigenen S-Bahnannschluß. Ein Hotel mit 450 Betten und Parkplätze für 3.500 Autos gehören ebenso zu den Eckdaten der Planung wie der Abriß von Deutschlandhalle und Eissporthalle. Die Bausumme dieser gigantischen Anlage, mit der das Land Berlin anderen Messestandorten Konkurrenz machen will, schätzen Fachleute auf eine Milliarde.

Ein Architektenwettbewerb, der Öffentlichkeit schaffen würde, liege in der Zuständigkeit der Senatsbauverwaltung, sagte gestern Staatssekretär Groth von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Sein Gutachten diene nur als „Hilfestellung“. Doch aus der Hilfe wird schnell Zwang. Dann, wenn keine Zeit mehr ist, andere gleich ausführliche Vorgaben für die Bauplanung zu erstellen. Die erste Halle muß bis Juni 1991 fertig sein, das akzeptiert der Senat. Wenn sich der Bau der ersten Halle aber in ein Gesamtkonzept einfügen soll, ist schon heute klar, wer den Zuschlag dafür bekommen wird: das Planungsbüro Ungers, das einzige, das Zeit hatte, um einen durchdachten Vorschlag zu unterbreiten. Für Ungers eine 100.000-Millionen-Arbeits -Beschaffungs-Maßnahme fürs Leben.

bf