„Die Deportationen sind eine Schande“

Der außenpolitische Sprecher der britischen Labour Party, Donald Anderson, verlangt Wirtschaftshilfe für Vietnam  ■ I N T E R V I E W

taz: Was ist die Position der Labour Party zu den gewaltsamen Deportationen der Boat people, die gestern begonnen haben?

Donald Anderson: Sie sind eine Schande für die britische Politik. Historiker werden später darauf als beschämendes Ereignis für Großbritannien zurückblicken. Die Regierung hat nicht genügend Versuche unternommen, die Flüchtlinge zur freiwilligen Rückkehr zu überreden. Damit hätte den Fluchtwilligen in Vietnam signalisiert werden können, daß eine Flucht sinnlos ist. Gleichzeitig hätte die Regierung mit Hanoi über Wirtschaftshilfe verhandeln müssen, um die Lebensbedingungen in dem Land zu verbessern.

Wie kann das Problem langfristig gelöst werden?

Das Problem muß an der Wurzel angegangen werden. Weil die USA seit dem Vietnamkrieg ihr Veto gegen jede Wirtschaftshilfe einlegen, herrscht Armut in Vietnam. Die britische Regierung ist den USA gehorsam gefolgt und hat keine Alternativen in Betracht gezogen. Langfristig kann das Problem jedoch nur gelöst werden, wenn die vietnamesische Wirtschaft in Gang kommt. Dazu ist es erforderlich, daß die westlichen Länder eine neue Politik entwickeln und Vietnam finanziell unterstützen.

Befürchten Sie Repressionen gegen die Flüchtlinge, die gegen ihren Willen zurückgeschickt werden?

Ich bin skeptisch, ob die Wiedereingliederung der deportierten Flüchtlinge in Vietnam effektiv überwacht werden kann. Sie sind über das ganze Land verstreut, viele kehren in abgelegene Fischerdörfer zurück. Wie kann die britische Regierung kontrollieren, was mit den Deportierten geschieht?

Von den 57.000 Boat people sind nur 14.000 als politische Flüchtlinge anerkannt. Was halten Sie von den Unterscheidungskriterien für die Einteilung in politische und Wirtschaftsflüchtlinge?

Ich stimme der kritischen Erklärung von amnesty international zu. Die Organisation hat gesagt, daß die Methode der Einteilung in politische und Wirtschaftsflüchtlinge fehlerhaft ist. Ich bin natürlich nicht prinzipiell gegen eine solche Einteilung. Es ist unrealistisch zu erwarten, daß die westliche Welt alle Menschen absorbieren kann, die ihre Heimat auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen. Diesem Problem muß man jedoch mit substantieller Wirtschaftshilfe begegnen.

Interview: Ralf Sotscheck