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„Bin kein Guru der Kulturpolitik“

■ Interview mit dem künftigen Kultursenator Henning Scherf

Man sagt Ihnen nach, daß sie Sozialpolitiker aus Passion seien. Was treibt so einen in ein Ressort, das sich mit Schule, Universität und Kulturgruppen herumzuschlagen hat?

Henning Scherf: Geplant war das alles nicht. Aber ich habe gemerkt, daß wir uns alle zusammenreißen müssen. Diese Regierung muß handlungsfähig bleiben. Und da habe ich eingesehen, daß es nur auf diese Weise geht. Das ich in das neue Ressort gehe und Sabine Uhl, die sich das ja schon seit Jahren wünscht, daß sie doch noch mal in die Diskussion kommt... Na okay.

Ist das beschränkt auf zwei Jahre?

Ich bin da kein Kommissar, ich habe da ein kompliziertes, schwieriges Ressort mit Konfliktfeldern, und da erwarten ganz viele Menschen, daß ich nicht nur eine Gastrolle spiele.

Thomas Franke hat am Montag seinem Nachfolger per taz -Interview gesagt: Du kannst in diesem Ressort nur überleben, wenn Du eine vernünftige Kulturförderung zur Bedingung machst. Haben Sie Bedingungen gestellt?

Ich verstehe, daß er das in der taz sagt, die einen Leserkreis hat, der in diesen Kulturinitiativen lebt. Trotzdem: Ich bin Mitglied dieser Regierung, ich muß die vertreten. Ich stelle keine Bedingungen an die Regierung, sondern will mit dieser Regierung etwas bewirken. Ich muß mit meinen Kollegen einen Weg finden, um die immer größer werdende Erwartung, daß der Kulturetat sich spürbar verbessert, umzusetzen. Ich war immer einer der Kritiker, daß im Kultur-Ressort daran nicht weiter vorgearbeitet worden ist, und nun muß ich mich mit den Vorarbeiten vertraut machen. Und wenn die gut sind, dann habe ich die Hoffnung, daß alle im Senat begriffen haben, daß dies ein zentrales städtepolitisches Projekt ist. Da defensiv zu sein, ist sehr sträflich für alle.

In diesem Jahr ist sehr kontrovers über Kulturpolitik diskutiert worden. Zum Beispiel über das Musikfest. Sie hatten keine Veranlassung, sich öffentlich zu äuern, aber sie werden sich eine Meinung gebildet haben. Welche?

In diesem Jahr ist sehr spektakulär diskutiert worden, weil die Ereignisse, die insbesondere Klaus Wedemeier sehr stark gefordert hat, die zum Teil der Staatsrat gemanagt hat - das muß man auch sehen, der Staatsrat hat die große Ausstellung mit dem Gold aus dem Kreml gemanagt und das Ressort hat sie begleitet, gutwillig, konstruktiv. Aber mit diesen schrillen Tönen, die es in der bremischen Kuturszene gab - ich habe mir vorgenommen das nachzuarbeiten. Ich habe das begriffen als eine Herausforderung mit diesen Kritikern, mit den vielen, die da in die Ecke gedrängt worden sind, jedenfalls den Eindruck hatten, das nachzuarbeiten. Patentrezepte habe ich nicht. Ich bin nicht über Nacht der große Guru der Kulturüpolitk. Ich will dazu beitragen, daß sich das nicht weiter polarisiert.

Aber wo stehen Sie? Kultur als Standortfaktor ...

Ich finde wir dürfen das nicht gegeneinander ausspielen...

... und die Gruppen kriegen nichts?

Ja, das ist schwer auszuhalten. Aber mich stört, wenn das entweder - oder gesagt wird. In einer Stadt mit knapp 600.000 Menschen, mit dem Anspruch weltoffen zu sein, da paßt es nicht, wenn nur Sensationen stattfinden und alle anderen am Hungertuch nagen. Das muß man miteinander verbinden. Und das kann man auch. Man muß das Musikfest nicht als eine Verwüstung der Bremer Kulturszene nehmen, sondern als Chance. Aber die muß man auch nutzen. Einige, die damals so heftig dagegen protestiert haben, die kenne ich persönlich, die haben auf dem Marktplatz demonstriert. Und ich habe mich unter sie gestellt und gesagt: Wenn ihr dabei wärt jetzt, dann wäre doch alles anders.

Stichwort „Auf dem Marktplatz stehen“: Die Unterschiede im Politikstil zwischen Scherf und Franke könnten unterschiedlicher kaum sein. Sie nehmen die Demonstranten in die Arme und schon haben sie fast gewonnen...

Das hat die aber auch geärgert.

...aber es hat auch Früchte getragen. Franke dagegen, bezieht pointierte Gegenpositionen und

treibt den Streit auf die Spitze, um anschließend manchmal doch eine kleine Lösung zu haben. Glauben Sie, daß sie mit ihrem Stil in dem Bereich Wissenschaft, Kultur landen werden?

Muß man mal sehen. Es ist zugegeben auffällig, daß wir anders auftreten. Aber meine Art ist auch kein Patentrezept. Viele haben sich auch geärgert, daß ich sie agitiert habe, statt zu sagen, daß geht und das nicht. Ich will das mal ausprobieren. In diesem Ressort kommt ja die dreiviertel Stadt vor. Und da sind je nach Gruppe alles unterschiedliche Kommunikationsstrukturen. Ich glaube nicht, daß man mit allen gleichermaßen kann.

Es wird behauptet, Sie seien sogar ganz froh, in diesem Moment aus dem Ressort Soziales rauszugehen.

Nee. Bin ich nicht. Ich kann das meinen Leuten kaum erklären. Wenn das nicht zu pathetisch ist: Ich habe angefangen eine Art Trauerarbeit zu machen. Ich muß das erst erklären. Das ist alles noch nicht bewältigt.

Kultursenator, ein bißchen gegen den eigenen Willen. Bleibt da Verbitterung, gegenüber einigen Genossen, über die Art, wie die Debatte losgetreten worden ist?

Ich nehme das nicht als Aggression gegen mich, was da gelaufen ist, Ich merke nur, daß das schwierig ist. Schwierig ist, gelaßen über die Rücktrittsfolgen von Thomas Franke zu reden und parallel dazu aufkommende Spekulationen abzuwehren. Darum habe ich auch Klaus Wedemeier zugesagt.

Fragen: Holger Bruns-Kösters

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