Sessel frei, der DGB-Chef kommt!

■ Siegfried Schmidt zeigt heute in der Angestelltenkammer , wie auch einfache Gewerkschafter in Bremen Karriere machen können

Sag noch mal jemand, in Bremen lasse sich nicht Karriere machen, gleich gar nicht für Zugereiste. Der Deutsche Gewerkschaftsbund - qua Amt ja sozusagen zuständig für berufliche Aufstiege seiner Mitglieder - will heute den exemplarischen Gegenbeweis antreten. Wenn es nach dem Bremer DGB geht, wird heute mitten in Bremen eine Bilderbuchkarriere (II. Teil) gemacht und ein Niegelnagelneu -Bremer tritt im Sturmlauf die Macht über die Bremer Angestelltenkammer an. Nur ein paar Wochen nach seiner Zitter-Wahl zum Bremer DGB-Chef will der Alt-Braunschweiger Siegfried Schmidt heute - sozusagen im Handstreich Vorstandsmitglied der größten Bremer Angestelltenorganisation mit einem Jahresetat von rund 25 Millionen Mark wer

den.

Formell verhält sich die Sache so: Wenn sich heute nachmittag die Kammervertreter zu einer Vollversammlung treffen, haben sie auch den Tagesordnungspunkt „Nachwahl eines Vorstandsmitglieds für den ausgeschiedenen Heinz Möller“ zu erledigen. Der Ex-DGB-Chef und Schmidt -Amtsvorgänger hatte parallel zu seinem Ausstieg aus dem Bremer DGB-Vorstand auch sein Vorstandsmandat in der Angestelltenkammer zurückgegeben. Heutiger Bewerber für den verwaisten Sitz: Siegfried Schmidt. Schmidtsche Logik: Wer ein DGB-Amt erbt, hat auch Ansprüche auf alle übrigen des Erblassers.

Dabei: Streng demokratisch genommen hat Siegfried Schmidt in der Angestelltenkammer ge

genwärtig ungefähr so viel zu suchen wie Egon Krentz in der Bremer Bürgerschaft. Als vor zwei Jahren die 150.000 Kammermitglieder an die Wahlurnen gebeten wurden, konnte schließlich noch keiner etwas von einem Kandidaten namens Schmidt ahnen. Und: Um die Macht in der Kammer bewarb sich ausdrücklich auch nicht der mächtige DGB, sondern die Einzelgewerkschaften. Selbst Heinz Möller hielt seinerzeit nicht etwa als mächtiger DGB-Chef, sondern als schlichtes ÖTV-Mitglied Einzug in den Kammervorstand.

Ganz selbstverständlich ging die ÖTV denn auch nach Möllers Rücktritt davon aus, daß ihr das Recht gebühre, einen Nachfolger vorzuschlagen. Per Beschluß hob der ÖTV-Vorstand das Personalratsmitglied Dieter Stratmann in den Kandidaten -Status. Selbst der Bremer DGB-Kreisvorstand beschloß, daß ein schmidtscher Senkrechtstart wenig glücklich für die DGB -Optik sei. Beide, ÖTV und Bremer DGB, hatten die allerdings ohne den neuen DGB-Chef gemacht. Der bat für einen

weiteren Abstimmungsdurch gang auch die Bremerhavener Vorstandskollegen ins Bremer DGB -Haus und - erhielt einer Mehrheit für seine Kandidatur.

Trotzdem reitet Schmidt heute auf einem ziemlich wackeligen Pferd in die Angestelltenkammer ein. Immerhin sind im Laufe eines Nachmittags gleich zwei Hürden zu nehmen. Im ersten Anlauf muß Schmidt sich von deer Vollversammlung per Mehrheit als einfaches Mitglied „kooptieren“ lassen. Gleich anschließend will dann frischgebackene Vollversammlungsmitglied Schmidt sich in den Vorstand hieven lassen. Daß das weniger leicht ist, als es aussieht, liegt an den Mehrheitsverhältnissen: Von den derzeit 23 Vollversammlungsmitgliedern stellt allein neun die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG), 5 die von der ÖTV-geführte Liste, fünf weitere die IGM und vier die HBV.

Mit den Stimmen der DAG kann DBGler Siegfried Schmidt ohnehin kaum rechnen. DAG-Fraktionssprecher Klaus Bock gegenüber der taz: „Nachdem

Herr Schmidt gerade mal seit vier Wochen in Bremen lebt, sollte er sich erst mal mit der lokalen Situation im allgemeinen und den Bremer Kammerverhältnissen im besonderen vertraut machen.“ Klartext: Die DAG wird sich zumindest enthalten.

Unsichere KantonistInnen könnten (aus schmidtscher Perspektive) allerdings auch in den eigenen Reihen sitzen: So ist für die HBV z.B. völlig unzweifelhaft, daß ihre Kammer-Vertreter als einzelgewerkschafternde HBV'ler und nicht etwa als dachorganisierte DGBler in abstimmen. Klartext: DGB-Fraktionszwang gilt für die HBV-Vertreter nicht. Und auch in der ÖTV steht bis heute unkorrigiert der Beschluß: Der vakante Sitz ist ein ÖTV-Sitz und muß durch einen ÖTVler wiederbesetzt werden. Siegfried Schmidt ist Metaller.

Was heute aus dem Aufstieg des Bremer DGB-Fürsten wird, dürfte deshalb vor allem davon abhängen, in wieweit sich die Vollversammlungsmitglieder zu Wahlvolk degradieren lassen.

K.S.