Bulgariens KP verzichtet auf Machtmonopol

■ Ex-Parteichef Schiwkow aus der Partei ausgeschlossen / Parlamentarischer Ausschuß soll Korruptionsvorwürfe klären

Sofia (dpa/afp) - Die Kommunistische Partei Bulgariens hat auf ihr Machtmonopol in Staat und Gesellschaft verzichtet. Das berichtete die amtliche bulgarische Nachrichtenagentur 'BTA‘ am Mittwoch nach einer dreitägigen Tagung des Zentralkomitees der KP in Sofia. Demnach wird die Partei das Parlament auffordern, Artikel eins der Verfassung zu ändern. Darin ist die „führende Rolle der Partei“ verankert. Das Parlament tritt Donnerstag zusammen. Der frühere Parteichef Schiwkow und sein Sohn Waldimir wurden aus der Partei ausgeschlossen.

Es gebe „gewichtige Gründe“, mögliche Gesetzesverstöße des früheren bulgarischen Staats- und Parteichefs Todor Schiwkow und seiner Mitarbeiter zu prüfen, teilte der Vorsitzende einer Kommission der bulgarischen Kommunistischen Partei, Andrej Lukanow, während der ZK-Sondersitzung gestern in Sofia mit. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß werde mögliche finanzielle Unregelmäßigkeiten und andere Vergehen untersuchen, die Schiwkow, seine Familienmitglieder oder enge Mitarbeiter eventuell begangen haben, erläuterte er. So seien etwa 14 Millionen Lew (etwa 24,5 Millionen D-Mark) für die Einberufung von „Weltversammlungen zur Förderung kindlicher Begabungen“ ausgegeben worden, während Gelder zum Bau von Waisenhäusern und Kindergärten fehlten.

Der Sicherheitschef des Innenministeriums, General Sawa Dschendow, enthüllte am Mittwoch in der Zeitung 'Narodna Mladesch‘ Einzelheiten über Privilegien der alten Führung. Widerrechtlich sei Grund und Boden für Bauland für Villen der Parteispitze beschlagnahmt worden. Im Ausland seien Luxuswagen gekauft worden, die Parteiführern gegen Bagatellbeträge in der Landeswährung Lewa überlassen wurden. KP-Parteichef Petar Mladenow kündigte an, ein Untersuchungsausschuß werde sich mit Fällen von persönlicher Bereicherung, Korruption in den Führungsebenen und der Rehabilitierung von Personen, die während der 35jährigen Amtszeit Schiwkows aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen wurden, befassen.

Auch gegen den Verzicht auf den Führungsanspruch der Partei und freie Wahlen gab es auf der ZK-Sitzung Widerstand. Mitglieder in der mittleren Parteiebene und Genossen aus der Provinz fürchten, daß die Partei in die Minderheit abrutscht. Für ihre Ängste sprechen die Ergebnisse einer am Mittwoch veröffentlichten landesweiten Untersuchung. Hiernach unterstützen von 2.000 befragten Personen 45,6 Prozent die unabhängigen Oppositionsbewegungen oder bringen ihnen zumindest Sympathie entgegen.

Gleichzeitig zögerte das Zentralkomitee jedoch, ein definitives Datum für die angekündigten freien Wahlen festzulegen.

Die in der „Union der demokratischen Kräfte Bulgariens“ zusammengeschlossenen Oppositionsgruppen fordern die Änderung des Verfassungsartikels eins noch vor den freien Wahlen. Heute wollen die Oppositionsgruppen eine Menschenkette um das Parlamentsgebäude bilden, um zu zeigen, „daß das Volk auf sofortigen demokratischen Veränderungen“ bestehe.

Die Bauernpartei, die einzige bislang neben der KP zugelassene politische Kraft, wehrte sich gestern gegen den Vorwurf der KP, „extreme Positionen“ zu vertreten. „Wir sind keine Extremisten“, schrieb eine Gruppe im Namen der Bauernpartei am Mittwoch in der Zeitung 'Zemedelsko Zname‘. „Die KP spricht sich in Worten für Pluralismus aus, geht aber gegen die vor, die sich für wahren Pluralismus und für Demokratie verwenden.“