Schnoor: „Ich schicke niemanden zurück“

NRWs Innenminister gilt den kurdischen Yeziden als „Beschützer“ / NRW gewährt den Verfolgten Bleiberecht  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

„Ihre Sache ist hier in guten Händen. Ich werde niemanden von ihnen zurückschicken.“ Dieses Versprechen wird dem nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Schnoor von den etwa 50 kurdischen Yeziden, die in dem großen Konferenzsaal der Düsseldorfer Staatskanzlei am Dienstag Platz genommen haben, ohne Einschränkung abgenommen.

Spätestens seit Schnoor sich während einer Konsultationsreise in Kurdistan im Mai dieses Jahres persönlich von der Verfolgung der Yeziden ein Bild gemacht hat, gilt er bei der kurdischen religiösen Minderheit, die von den Moslems als „Teufelsanbeter“ diffamiert und brutal verfolgt wird, als eine Art „Beschützer“. In einem Brief an Ministerpräsident Johannes Rau, den sie Schnoor am Dienstag übergaben, bitten Scheich Tetu Sancar, Berces Demir und Misto Atalan den NRW-Regierungschef, Schnoors „Bemühungen für unser Volk nicht kaputtzumachen“ und ein dauerhaftes Bleiberecht für die Yeziden zu verfügen. Wörtlich heißt es über Schnoor in dem Brief weiter: „Er ist für uns ein Beschützer, wie wir ihn niemals gehabt haben.“ Immer wieder hat Schnoor - auch gegen den Willen der Behörden vor Ort dafür gesorgt, daß niemand von ihnen aus NRW abgeschoben wurde.

Auf der letzten Innenministerkonferenz scheiterte er mit seinem Vorschlag, bundesweit ein Bleiberecht für Yeziden durchzusetzen. Nach den Worten von Alexander Sternberg -Spohr, dem früheren Yeziden-Experten der „Gesellschaft für bedrohte Völker“, hat sich Bayern, wo etwa 2.000 bis 3.000 Yeziden leben, „als Hauptbremser“ hervorgetan. In NRW selbst ist die Entscheidung über das Bleiberecht immer wieder verschoben worden. Weil auf der Kabinettssitzung am Dienstag diese Frage erneut auf der Tagesordnung stand, waren etwa 50 Yeziden, organisiert vom Bielefelder Flüchtlingsrat, zur Staatskanzlei gezogen, um Rau persönlich zu bitten, endlich den Zustand der „Duldung“ zu beenden. „Wir können nicht richtig schlafen, nicht richtig leben, weil wir immer an Abschiebung denken müssen. Unsere Nerven sind am Ende. Eine Duldung gibt uns doch keine Sicherheit. Bitte geben Sie uns das Bleiberecht“, heißt es in dem Brief an Rau.

Am Dienstag nutzten die Flüchtlinge die Gelegenheit, um Schnoor persönlich die jahrzehntelange Verfolgung, die erst am vergangenen Wochenende wieder zwei Yeziden in dem Dorf Midyat das Leben gekostet hat, zu schildern. „Sie sind von Moslems erschossen worden, und eine Frau wurde schwer verletzt“, erzählt ein Jugendlicher, dessen Onkel bei dem letzten Überfall ums Leben kam. „Ich glaube nicht, daß ich selbst die Situation in der Türkei und Kurdistan abschließend beurteilen kann, aber ich weiß eines: Den Kurden werden ihre Rechte vorenthalten, sie werden diskriminiert und die Yeziden noch einmal besonders“, sagt Schnoor. Der Innenminister selbst plädiert intern seit langem für ein Bleiberecht, befürchtet aber auch, daß „alle Yeziden aus Niedersachsen zu uns kommen, und das geht nicht“.

Insgesamt leben inzwischen 17.000 Yeziden in der Bundesrepublik, davon knapp 4.000 in NRW. Nur noch etwa 2.000 bis 3.000 harren unter schwierigsten Bedingungen in der Türkei aus. Britta Jünemann vom Bielefelder Flüchtlingsrat bittet Schnoor auch mit Blick auf die kommende Landtagswahl um eine sofortige Entscheidung: „Wir wissen nicht, was danach noch möglich ist.“ Man werde das lange überfällige Signal aus NRW nutzen, um auch in Niedersachsen ein Bleiberecht durchzusetzen. Zu diesem Signal entschloß sich die Landesregierung dann endlich am späten Dienstag abend. Alle in NRW lebenden Yeziden und die etwa 4.800 türkischen Christen, die bis zum 1.Dezember 1989 in NRW gemeldet waren, bekommen ein dauerhaftes Bleiberecht. Der Stichtag und der Bezug auf den Wohnort soll die befürchtete Binnenwanderung verhindern. Von den anderen Bundesländern erwartet NRW jetzt ebenfalls eine „entsprechend humanitäre Lösung“.

Für das Bleiberecht von Yeziden und den ebenfalls in der Türkei verfolgten syrisch-orthodoxen Christen gibt es inzwischen eine Unterschriftenkampagne des Bielefelder Flüchtlingsrates.