Grüne weiter auf der Suche

■ Ralf Fücks referierte auf der grünen Landesversammlung zur Zukunft der Partei

Die Gunst der Stunde wollten sie nutzen, die VorständlerInnen des Kreisverbands Mitte der Grünen und luden ihre Mitglieder eine halbe Stunde vor der angesetzten Landesversammlung der Partei ins Konsul-Hackfeld-Haus. Doch der Erfolg blieb aus. Einige Anwesende mußten gar mit moralischen Druck in den Saal bewegt werden („Wenn ihr jetzt nicht reinkommt, fühlt sich der Vorstand echt verarscht“). Erst als Ralf Fücks die Landesversammlung mit seinem Referat eröffnete, füllte sich der Saal. Symptom für die potenzierte Unlust der grünen Mitgliedsschar am tristen Parteialltag.

Die Partei ist in der Krise, das ist nicht erst seit den historischen Veränderungen in der DDR augenfällig und ihre LiebhaberInnen trollen sich kopfschüttelnd

von dannen. Alte Antworten auf neue Fragen, so wurde am Mittwoch auf der Landes-MV die Orientierungslosigkeit und Unbeweglichkeit der Grünen charakterisiert, die unter allen Umständen den deutschlandpolitischen status-quo zu halten versuchen. Als „historisch verursachtes Ressentiment der Linken gegenüber dem Volk“ machte Ralf Fücks diese Haltung aus, die es unmöglich mache „voll auf Demokratie zu setzen“. Die eigene grüne Vision könne sich nur in einer deutsch -deutschen Kooperation im gemeinsamen Haus Europa erfüllen.

Fücks, Mitglied des Bundesvorstands, referierte in Bremen, um analytische Ordnung in die aufgelösten Reihen derjenigen zu bringen, denen angesichts verlorengegangener Hoffnungen und

anhaltender Depressionen nur die Beschwörungsrituale geblieben waren. Gegen die „strukturelle Ratlosigkeit“ in einer innenpolitisch so bedeutsamen Situation verordnete Fücks die zweite „Selbstfindungsphase der Grünen“. Die Identitätskrise der Partei führte Fücks darauf zurück, daß mit dem Abgang des realen Sozialismus und dem Fall der Mauer alle Utopie-und Systembegriffe, die die gesellschaftlichen Leitideen der Grünen gestützt hatten, hinfällig geworden sind. Die Verabschiebung von der „Illusion der Globalalternative“ aber berge auch Chancen: jetzt „werde Grün zur eigentlichen Herausforderung, zur ökologischen Begrenzung des kapitalistischen Marktes“. In einem umfassend verstandenen Primat der Ökologie sah Fücks die politi

sche Zukunft. Die politischen Eingriffsmöglichkeiten gegenüber „dem Selbstlauf der Ökonomie“, die Begrenzung der ökonomischen Expansion im geographischen wie gesellschaftlichen Sinne, die Verlangsamung des Prozesses, in dem die Gesellschaft analog der techisch-industriellen Entwicklung festgelegt werde, das alles sei „viel radikaler als die bloße Frage nach den Eigentumsverhältnissen“.

Einigen konnten sich die Grünenin der nüchternen Selbsteinschätzung: „Wir sind in vielen Bereichen Suchende“. Ob allerdings der so gepriesene „souveränere Umgang mit der eigenen Unsicherheit“ den Grünen alsbaldwieder zum attraktiven Polit-Profil verhilft, mochte am Mittwoch niemand weissagen.

Andreas Hoetzel