Glücksfall für Berlin

■ Chancen der Berlin- und Deutschlandpolitik durch die demokratische Revolution in der DDR

Bernd Köppl, Michael Cramer, Gerd Büttner

Die Alternative Liste ist begeistert von der demokratischen Revolution in der DDR. (...)

Unübersehbar hat die demokratische Revolution in der DDR auch das Leben der Menschen in Berlin entscheidend verändert. Berlin ist keine eingemauerte Stadt mehr, sondern eine offene Stadt mit großem Umland. Auf Berlin kommen daher neue große Aufgaben und auch Probleme zu. Jetzt werden die Weichen für die langfristige Entwicklungsrichtung in Berlin gestellt. In diesen historischen Zeiten ist es ein Glücksfall für Berlin, daß eine rot-grüne Stadtregierung die ökologischen und sozialen Interessen der Menschen gegen den jetzt einsetzenden Druck der Autolobby, der Banken, der Bauspekulanten verteidigt. Es kommt auch in dieser historischen Situation entscheidend darauf an, ob eine gewählte Landesregierung die Rechte von Minderheiten verteidigt, die Integration der ausländischen Bevölkerung weiterhin unterstützt und versucht, objektiv sich verschärfende soziale Gegensätze abzumildern, und dem aufkeimenden Nationalchauvinismus entgegenwirkt. (...)

Die demokratische Revolution in der DDR hat die Fragen: Wie geht es weiter mit Berlin?, Wie geht es weiter mit den beiden deutschen Staaten?, Wie geht es weiter mit Europa? auf die Tagesordnung der Geschichte gesetzt. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte können die Menschen in beiden deutschen Staaten neu über diese sehr wichtigen Fragen diskutieren und entscheiden. Die AL verteidigt in dieser Auseinandersetzung das gerade erkämpfte souveräne Selbstbestimmungsrecht der DDR-Bevölkerung. Nur die DDR -Bevölkerung selbst hat das Recht, darüber zu entscheiden, wie es seine innere demokratische Verfassung ausgestalten will und welches Verhältnis die DDR zum anderen deutschen Staat eingehen möchte. Die Frage: Ob Zweistaatlichkeit, Vertragsgemeinschaft, Konföderation oder staatliche Einheit entscheidet zuallererst die DDR-Bevölkerung selbst.

Damit dieser Klärungsprozeß in der DDR ohne äußeren Zwang und Einmischung vollzogen werden kann, tritt die AL für die Anerkennung der DDR als souveränen Staat ein und kritisiert die einseitige Wiedervereinigungspropaganda im Westen, die so tut, als sei diese Frage schon längst entschieden.

Für die AL ist nach dem 9. November die zukünftige Entwicklung der beiden deutschen Staaten wieder offen. Das Zusammenwirken der Menschen in beiden deutschen Staaten kann unterhalb der staatlichen Verfaßtheit auf allen Ebenen organisiert werden. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich, wenn sich einzelne Schulen, Gewerkschaftsgruppen, Kirchengruppen, Bürgerinitiativen und Parteien um vielfältige Kontakte bemühen.

Die demokratische Lösung der deutschen Frage und der Aufbau einer Nachkriegsordnung in Europa kann nur in enger Abstimmung mit den europäischen Nachbarn erfolgen. Die AL hält dazu die Einberufung einer KSZE-Sonderkonferenz für die geeignete Maßnahme. Nur im gesamteuropäischen Rahmen kann die deutsche Frage gelöst werden und die politische und militärische Konfrontation der Blöcke in Europa überwunden werden. Im Rahmen dieser europäischen Entwicklungen halten wir es für notwendig, daß insbesondere die beiden deutschen Staaten drastisch abrüsten, daß die beiden Supermächte die Truppen in Europa sehr stark reduzieren und daß die BRD eindeutig die Unverletzlichkeit der polnischen Westgrenze vertraglich absichert.

Das europäische Haus braucht friedliche Verhältnisse und keine bis an die Zähne bewaffneten Zimmernachbarn. Die demokratischen Revolutionen der osteuropäischen Völker haben diese große Hoffnung hervorgebracht. Es kommt nun darauf an, die Welt mit dieser Hoffnung zu verändern.