Neue Supervolkszählung?

■ Bonn plant Statistikgesetz zur Erfassung der Bevölkerung / Das neue Gesetz ist jedoch nur eine Novellierung des alten / Statistiker fürchten „Weg in eine statistische Bananenrepublik“

Berlin (taz) - In Bonn wird derzeit an einem Gesetz zur Bevölkerungsstatistik gearbeitet, das eine äußerst detaillierte zahlenmäßige Erfassung der Bevölkerung regeln soll. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf sieht zum Beispiel die statistische Registrierung sämtlicher Geburten, Todesfälle, Eheschließungen und Scheidungen vor. Erfaßt werden demnach auch die Todesursachen und die Krankheiten, die zum Tode geführt haben. Buchgeführt werden soll etwa auch über Gewicht und Länge eines Neugeborenen oder die Gründe, die zu einer Ehescheidung geführt haben.

Anders jedoch als gestern in Presseberichten dargestellt, ist dieses Gesetz, das wie eine Supervolkszählung aussieht, keineswegs neu. Der vorliegende Gesetzentwurf ist lediglich die Novellierung eines schon seit 1957 existierenden Gesetzes zur Bevölkerungsstatistik, das unter Berücksichtigung des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts überarbeitet wird. Anders als die Volkszählung ist diese seit Jahren vorgenommene Erhebung auch keine Befragung von Einzelpersonen, sondern eine sogenannte Sekundärstatistik, für die es keinen eigenständigen Fragebogen gibt. Informationslieferanten für diese fortlaufend geführte Statistik sind vielmehr Standesämter, Einwohnermeldebehörden, Familiengerichte und Mediziner, die ihre Angaben an die Statistischen Landesämter weiterleiten. Aus diesen Angaben werden dann Einzelstatistiken beispielsweise über Scheidungsraten und -gründe oder Säuglingssterblichkeit erstellt.

Der Fragenkatalog, den der vom 28.November 89 stammende Gesetzentwurf jetzt vorsieht, geht nach Informationen der taz nicht über die bisherige Datenerfassung hinaus. Zur Zeit wird innerhalb der Regierungskoalition in Abstimmung mit den Ländern zudem diskutiert, ob nicht etliche Fragen gestrichen werden können. Der jetzt den Länderinnenministerien zugeleitete Entwurf enthält etliche Streichungen, die offenbar auf Druck der FDP vorgenommen wurden. Auch die Statistischen Landesämter sollen prüfen, ob nicht auf einige Fragen verzichtet werden kann. Professionelle Datenerfasser, wie der Chef des Statistischen Landesamtes Berlin, Günther Appel, beschreien denn jetzt auch schon, daß die Statistik in der BRD „auf den Stand einer Bananenrepublik“ herabsinkt, wenn die Streichungen Gesetz würden.

Ve.