Rahmenabkommen für deutsch- deutsche Wirtschaft vereinbart

■ Kanzler Kohl darf kommende Woche schon unterzeichnen / DDR-Wirtschaftsministerin Luft schränkte Joint-venture-Euphorie ein

Berlin (dpa/taz) - Kanzler Helmut Kohl darf in der kommenden Woche bei seinem Besuch in der DDR bedeutsame Unterschriften leisten. Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann hat sich während seines gestrigen Treffens mit der Ostberliner Amtskollegin Christa Luft auf die Bildung einer gemeinsamen Wirtschaftskommission und auf ein Kooperationsabkommen geeinigt.

Beides könnte beim Spitzentreffen zwischen Kohl und dem DDR -Ministerratsvorsitzenden Hans Modrow am 19. Dezember unterschriftsreif sein, erklärte Luft gestern nachmittag und nannte Aufgabenbereiche, in der sie sich vordringlich eine deutsch-deutsche Kooperation wünsche: Automatisierung, Medizin- und Meßtechnik sowie Metallurgie.

Ein Investitionsschutzabkommen, das bundesdeutsche Firmen für ihre wirtschaftliche Tätigkeit in der DDR fordern, soll noch in den ersten drei Monaten des kommenden Jahres unter Dach und Fach kommen, ein entsprechender Entwurf noch in diesem Jahr an die Volkskammer überwiesen werden.

Nach Beratungen zwischen der DDR-Regierung und Kombinatsdirektoren bremste Ministerin Luft allerdings auch die Hoffnungen auf uneingeschränkte Gemeinschaftsunternehmen zwischen bundesdeutschen und DDR-Betrieben. Die gesetzlichen Regelungen würden immer „die Mehrheit am Besitz unseres nationalen Eigentums in den Händen des Volkes sichern. Wir wollen mit der Kapitalbeteiligung Kraft gewinnen und nicht Kraft verschenken.“ Im übrigen sei bei diesen „Joint -ventures“ nicht an Kapitalanteile an einem ganzen Unternehmen gedacht. Vielmehr gehe es um Investitionen in ganz konkreten Fertigungslinien, um die Produktion schneller auf ein modernes technisches Niveau zu bringen.

Derweil hat das Bundeskartellamt bereits das geplante deutsch-deutsche Joint-venture zwischen der Volkswagen AG und dem VEB-IFA-Kombinat grundsätzlich gebilligt. Hubertus Schön, Sprecher des Amtes, erklärte, die gemeinsamen Vorhaben führten zu keinerlei Wettbewerbsbeschränkungen auf dem bundesdeutschen Markt. Planung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Personenwagen und Transportern stehen bei diesem Gemeinschaftsprojekt auf dem Programm. Vornehmlich wird man sich um ein Nachfolgemodell des „Trabant“ kümmern. Zunächst soll der gemeinsame Firmensitz in Wolfsburg liegen. Nach Vorliegen der gesetzlichen Bestimmungen geht's rüber nach Karl-Marx-Stadt.

Der CDU-Wirtschaftsexperte Matthias Wissmann hat gestern den Investitionsbedarf zur Modernisierung der DDR-Wirtschaft auf über 500 Milliarden Mark beziffert, wobei bis zu 450 Milliarden zur Instandsetzung des Anlagenparks und 130 Milliarden für die Infrastruktur nötig seien. Eine Finanzierung durch den Bundeshaushalt sei illusorisch. Im Zentrum der Hilfsmaßnahmen müßten Privatinvestitionen stehen, der Staat könne die Hilfen allenfalls durch die Vergabe von Startkapital an kleine und mittlere Betriebe finanziell flankieren. Wissmann geht davon aus, daß nach dem Kanzlerbesuch die DDR darüber entscheiden müsse, mit welchen öffentlichen Mitteln die DDR-Wirtschaft im kommenden Jahr gefördert werden müsse. Dies könne auch bereits im Nachtragshaushalt geschehen, über den im Januar und Februar entschieden werde.

Auch die Diskussion über die Mitgliedschaft der DDR in der EG geht voran. In einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an den französischen Staats- und derzeitigen EG-Präsidenten Fran?ois Mitterand schrieben Wissenschaftler der Ostberliner Humboldt-Universität, es solle möglich sein, „daß wir nicht als Bestandteil der D-Mark in das europäische Währungssystem eintreten, sondern direkt Kurs nehmen auf das EG-System“.

ulk Kommentar auf Seite 8