Handelskammer wettert gegen Wedemeier

■ Präses: Ohne ein Verkehrskonzept gibt es in zwei Jahren keine Neuansiedlungen mehr / Bremer Wirtschaft im Aufschwung

Egal, wie die wirtschaftspoliti

schen Zeiten auch sein mögen, eins gehört in jedem Fall zum obligatorischen Repertoire eines Arbeitgeber-Funktionärs: In der Jahresbilanz den richtigen Tonfall zwischen eigener Zufriedenheit, Klagen an politischen Rahmenbedingungen und unverhohlenen Drohungen zu finden. Daß der Präses der Bremer Handelskammer, Dieter Berghöfer, dies hervorragend beherrscht, bewies er gestern auf einer Landespressekonferenz zum Thema: „Wirtschaftliche Entwicklung im Lande Bremen.“

Das vom Wirtschaftssenator ständig hochgelobte WAP ist nach Ansicht Berghöfers nicht da

für verantwortlich, daß es in Bremen derzeit regelrecht boomt. Das könne erst in späterer Zukunft Früchte tragen. Es ist vielmehr die gesamtgesellschaftlich günstige Konjunkturentwicklung, die inzwischen auch die Bremer Diaspora erreicht hat.

In Zahlen geht das so: Die Industrieumsätze sind um 11,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Und es kann im nächsten Jahr noch günstiger kommen. Denn die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe liegen um ein Viertel über dem Vorjahresstand. Kein Wunder, daß jeder dritte Bremer Industriebetrieb im kommenden Jahr mehr investieren will. Auch im Außen

handel geht es steil bergauf. Der Zuwachs um 16 Prozent liegt dabei voll im Bundestrend. Davon profitieren auch die bremischen Häfen, die im Vorjahr den Umschlag um 33 Millionen Tonnen, das sind 5 Prozent, erhöhen konnten. Für den Arbeitsmarkt - die Arbeitslosenrate hat sich im letzten Quartal von den 15% des Vorjahres auf 14,2 Prozent verringert - sieht Berghöfer Probleme. Schon jetzt müsse beispielsweise Daimler Fachkräfte vor allem aus dem niedersächsischen Unmland einstellen. „Die können ja nicht warten, bis Fachkräfte in Bremen geboren sind.“

„Wenn der Senat nicht in nächster Zeit die Dinge auf die Schiene

setzt, das wäre das Letzte“, sagte Berghöfer gestern und meinte damit eigentlich das genaue Gegenteil, die Straße. Die Handelskammer ist erzürnt, daß immer noch kein Generalverkehrsplan vorliegt, obwohl Bürgermeister Wedemeier einen solchen für diesen Herbst versprochen hatte.

Verkehrskonzept

angemahnt

Stattdessen will Bausenator Kunick jetzt erst in den kommenden Jahren ein integratives Verkehrskonzept vorlegen. Berghöfer: „Die Verkehrspolitik ist widersprüchlich, kurzsichtig und ansiedlungsfeindlich.“ Gegen ein

ÖPNV-Konzept, sagt die Kammer, habe sie nichts. Allerdings bleibe bislang unberücksichtigt, wo der Individualverkehr bleiben solle. Dem Einzelhandelsverband bescheinigte Berghöfer gar eine progressive Haltung. Allerdings dürfe das ÖPNV-Konzept nicht kurzfristig und rigide umgesetzt werden. „Auch der Einzelhandelsverband braucht ein Gesamtkonzept, um das zu unterstützen.“

Möglichkeiten für Bremer Unternehmer ihre Güter verstärkt mit der Bahn zu transportieren, sieht Berghöfer nicht. „Es wird auf die Schiene verlagert, was geht.“ Generell gehe das aus zwei Gründen nicht. Zum einen, weil

die Bahn gar nicht die Kapazitäten habe, und zum zweiten, weil auch die Schiene die Straße zum „Zu-und Ablauf“ brauche. Was also hilft? Nach Handelskammermeinung neue Straßen. Und deshalb bedauerte Berghöfer gestern auch die Entscheidung gegen die Georg-Bitter-Trasse und die Beneckendorffallee, „wider der Meinungen der Fachleute in der Behörde“, behauptete er. Berghöfers Warnung an Bürgermeister Wedemeier: „Wenn sich unsere Wirtschaft weiter so entwickelt, dann haben wir in zwei Jahren den Verkehrsinfarkt. Dann hat Ansiedlung keinen Sinn mehr.“

hbk