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Widersprüchliche Signale aus der Nato

Wintertagung über Wandel in Osteuropa / Nato-Außenminister wollen politische Funktion der Allianz stärken und bewaffnete Abschreckung beibehalten / Rolle der KSZE bestärkt / Erstes Treffen von Schewardnadse und Wörner angekündigt  ■  Aus Brüssel Andreas Zumach

Mit widersprüchlichen Signalen beendeten die Außenminister der 16 Nato-Staaten gestern ihre zweitägige Wintertagung in Brüssel. In ihrem Abschlußkommunique betonten sie einerseits die „Notwendigkeit einer stärkeren politischen Funktion“ der Allianz und beschrieben deutlicher als das je zuvor ein Gremium des westlichen Militärbündnisses getan hat, die Rolle der KSZE als Plattform für den Veränderungsprozeß und die „Überwindung der Spaltung“ in Europa. Andererseits unterstrichen sie die auf „vorhersehbare Zukunft“ unabdingbare Abschreckungsrolle der Nato mit atomaren und konventionellen Waffen.

Im Abschlußkommunique des Treffens werden fast sämtliche konkreten Ost-West Schritte im Bereich von Politik, Wirtschaft, Abrüstung und Menschenrechten bei der KSZE angesiedelt. Der Gorbatschow-Vorschlag einer von 1992 auf 1990 vorgezogenen KSZE-Gipfelkonferenz soll geprüft werden. Dies bedeutet, wenn auch in Brüssel nicht explizit ausgesprochen, eine Absage an den von US-Außenminister Baker in West-Berlin gemachten Vorschlag, die Nato durch Übernahme neuer Aufgaben zu stärken.

Zur „deutschen Frage“ wiederholte die Nato die Formel des Straßburger EG-Gipfels von der „Stärkung des Zustands des Friedens in Europa, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit widererlangt“. Dieser Prozeß müsse sich „auf friedliche und demokratische Weise, unter Wahrung der einschlägigen Abkommen und Verträge sowie sämtlicher in der Schlußakte von Helsinki niedergelegten Prinzipien...vollziehen und in die Perspektive der europäischen Integration eingebettet sein“. Am Rande des Treffens wurde bekannt, daß im Januar erste Gespräche zwischen den drei Westmächten und Bonn über die Möglichkeit der Direktwahl der Berliner Bundestagsabgeordneten beginnen. Die Nato-Außenminister einigten sich über ihre Differenzen hinweg auf den westlichen Vertragsentwurf für ein Abkommen über konventionelle Waffen, der noch am Donnerstag abend bei den Wiener VKSE-Verhandlungen eingebracht wurde. Am Donnerstag morgen hatten auch die Warschauer Vertragsstaaten ihren Entwurf in Wien eingebracht. Zum ersten Mal in der Geschichte der westlichen Allianz wird am kommenden Dienstag mit Eduard Schewardnadse ein sowjetischer Außenminister das Brüsseler Nato-Hauptquartier besuchen und mit Generalsekretär Manfred Wörner zusammentreffen.

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