Das geschenkte Viertel

■ Das Holländische Viertel in Potsdam, unter Friedrich dem Ersten für Bauleute und Handwerker gebaut, verfällt zusehends

König Friedrich der Erste hatte sich in seiner Not etwas Besonderes ausgedacht. Weil das Land noch an den Folgen des Dreißigjährigen Krieges zu leiden hatte, ihm gute Baumeister und Handwerker fehlten, betrieb er offensive Ansiedlungspolitik. Er schickte Anwerber nach Holland und lockte Bauleute an. Als Anreiz erstattete er ihnen das Reisegeld und - schenkte ihnen ein Haus. So entstand am Rande Potsdams, in einem Sumpfgebiet, das Holländische Viertel. Mit einem System von Kanälen und einem Teich auf dem Bassinplatz wurden von 1732 bis 1742 in nur zehn Jahren die 145 Häuser gebaut - ganz auf die Bedürfnisse der Handwerker zugeschnitten und mit Hilfe der Bausoldaten des Königs. Kleine zweistöckige Häuser aus rotem Klinker gebaut mit grün-weiß gestrichenen Türen und Fensterläden und geschwungenen Traufendächern sind das Charakteristikum des Holländischen Viertels. Dort wohnten lange Zeit die Baumeister, die in den folgenden Jahren die Schlösser rund um Potsdam und Berlin bauten. Das volle Leben tobte damals in den kleinen kopfsteingepflasterten Straßen. Bäcker wohnten dort und Brauer, Bildhauer und Künstler.

Wer heute durchs Holländische Viertel geht, den graust es. Die Maximen der realsozialistischen Baupolitik - Neubau vor Altbausanierung - haben das Viertel völlig verkommen lassen. Jahrzehntelang hat die DDR das Bauhandwerk vernachlässigt und die Baukombinate auf serienmäßige Plattenbauweise umgestellt. Die kleinen Häuser der holländischen Bauleute verfielen. Nach und nach zogen die Leute weg oder wurden systematisch entmietet. Es wurde nichts repariert geschweige denn der Standard der Wohnungen, die keine Heizungen haben und keine Bäder, verbessert.

Der Sanierungsplan der Stadt Potsdam sah vor, die meisten Häuser abzureißen. Zur 1000-Jahr-Feier der Stadt 1993 sollte dann neugebaut sein. Mit „Platte“. Vier verschiedene Betonmonster wurden dafür extra entwickelt. Daß das gesamte Viertel unter die Kategorie eins des Denkmalschutzes gestellt ist, war dem Rat der Stadt dabei offensichtlich egal. Und der Denkmalpfleger der Stadt hat keinen Alarm ausgelöst. Die sozialistische Abrißbirne schlug zu. Ganze Straßenzüge wurden niedergewalzt. Mieter, die sich hätten wehren können, gab es nicht mehr in den leeren Straßen.

Das hörte erst auf, als im letzten Jahr die Bürgerinitiative „Argus“ entstand, und sich neben den Umweltproblemen auch der Stadterneuerung annahm. Und so hat die Reformbewegung in der DDR hat auch der brutalen Zerstörung der roten Klinkerhäuser, dieser architektonischen Kleinode ein Ende gesetzt. Am 1.November diesen Jahres beschloß der Rat der Stadt einen vorläufigen Abriß- und Neubaustopp. Am 29. wurde er bestätigt. Die Bagger wurden nach Hause geschickt. Für viele Häuser beinahe zu spät.

bf