Betrunkener setzte Hotel in Flammen

■ 45jähriger Gelegenheitsarbeiter gab fahrlässige Brandstiftung im Hotel „Central“ am Kudamm zu / Ermittlungen nun auch wegen schwerer Brandschutzmängel

Ein Betrunkener, eine Zigarette, ein Feuerzeug und eine Tischdecke - so banal ist offenbar der Hintergrund von Berlins größter Brandkatastrophe seit 1947. Bereits einen Tag nach dem verheerenden Großbrand im Hotel „Central“ am Kurfürstendamm konnte die Kripo gestern das Geständnis und die Festnahme des mutmaßlichen Brandstifters vorweisen: Der 45jährige Gelegenheitsarbeiter Hans-Werner B. - im Hotel als Faktotum „Hans“ bekannt - muß sich nun für das Großfeuer verantworten, bei dem mindestens vier Menschen in den meterhohen Flammen umkamen und weitere 28 zum Teil schwer verletzt wurden.

Auf die Spur von „Hans“ kamen die Brandfahnder der Kripo nach Berichten durch Hinweise aus dem Hotel, in dem der Mann als eine Art Mädchen für alles mit kleineren Besorgungen beschäftigt wurde - allerdings nur tagsüber. Daran hat sich der trinkfreudige Mann offenbar nicht gehalten und sich heimlich mit einem Nachschlüssel Zutritt zu den Räumen verschafft, berichtete der Chefermittler der Brandinspektion, Kriminaloberrat Horst Brandt, dessen Mitarbeiter Hans-Werner B. schließlich im Elisabeth -Krankenhaus mit leichten Brandwunden fanden. Bereits gestern früh wurde er festgenommen. Noch im Laufe des Tages sollte er zum Erlaß eines Haftbefehls einem Haftrichter vorgeführt werden.

Brandt zufolge sagte B. aus, ihm sei im Fernsehraum dann beim vergeblichen Versuch, mit dem Feuerzeug eine Zigarette anzuzünden, ein folgenschweres Mißgeschick passiert. Erst sei ihm das Feuerzeug aus den Händen gefallen. Die Flamme des Feuerzeugs griff dann auf eine Tischdecke über, so der Gelegenheitsarbeiter. Ohne an eine Warnung der aufs Höchste gefährdeten Gäste zu denken, verließ B. anschließend nach einem vergeblichen Löschversuch die Pension. Als Erklärung habe B. angeführt, er sei zu dieser Zeit erheblich alkoholisiert gewesen.

Unterdessen sind Zweifel entstanden, ob die Feuerwehr am brennenden Eckhaus Kudamm/Wielandstraße überhaupt so zeitig auftauchte, wie es möglich gewesen wäre. Nach Auskunft von Landesbranddirektor Scholz ging nach dem gegen zwei Uhr vermuteten Brandausbruch die erste Notrufmeldung über „112“ mit erheblicher Verzögerung ein: exakt um 2.27 Uhr. Dagegen behauptete der Besitzer des dem gegenüberliegenden Restaurants „Tasty“, schon um 2.05 Uhr die Notrufnummer angewählt zu haben. Ewig lange sei das Freizeichen am anderen Ende ertönt. Schließlich habe er an Stelle der Feuerwehr die Polizei angerufen. „Ja, ja, wir wissen schon“, habe es dort geheißen. Fortsetzung auf Seite 18

(Lesen sie auch die Reportage „Tanz in den Tod“ auf Seite 18.)

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Auch ein Hausmeister des Eckhauses Kudamm 54 bekundete, daß die Feuerwehr in Form eines ersten Löschzuges der Wache Rankestraße schließlich erst 15 bis 20 Minuten nach dem Zeitpunkt eintraf, als aus dem 1. Stock des Hauses Wielandstraße 23 schon helle Flammen schlugen. Ob dies stimmt, könne erst durch nochmaliges Abhören des auf Band mitgeschnittenen Feuerwehrfunkverkehrs überprüft werden, sagte dazu gestern nachmittag der diensthabende Beamte in der Leitstelle der Feuerwehr.

Eine andere mögliche Panne erwähnte noch in der Nacht zum Samstag der Leiter der an der Lietzenburger Straße eingerichteten Verletztensammelstelle des Roten Kreuzes, Wilfried Weber: Durch eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ seien die Helfer der „Schnellen Einsatzgruppe“ (SEG) des DRK erst so spät benachrichtigt worden, daß sie erst um 4 Uhr 20 eintrafen. Eigentlich sei festgelegt, daß die Notärzte und Sanitäter mit einem „Abrollbehälter Rettungsmaterial“ immer parallel angefordert werden müßten. Überrascht waren sowohl die Feuerwehrexperten als auch außenstehende Beobachter, wie schnell sich die Flammen vom Hotel „Central“ aus verbreiten konnten. Hinterher wußten die Feuerwehrbeamten, warum: Es wurde offenkundig, daß die Räume der ausgebrannten drei Hotelpensionen kaum feuerhemmende Materialien aufwiesen. Zudem haben die Pensionsbetreiber offenbar an vielen Stellen hölzerne Wandverkleidungen und -vertäfelungen einbauen lassen. Begünstigend für die explosionsartige Ausbreitung der Flammen war weiterhin, daß die langen Flure durch keinerlei feuerhemmende Türen unterteilt waren.

Der leitende Feuerwehrbranddirektor Dr. Schubert wußte auf einer Pressekonferenz auch von der eindeutigen Verletzung bestehender Sicherheitsvorschriften zu berichten. Bei einem rückwärtigen Treppenraum des abgebrannten Eckhauses sei eine Tür „dreifach mit einem dicken Schloß verrammelt und verriegelt“ gewesen. Dr. Schubert: „Ein anderer Zugführer hat mir erzählt, er ist in einem anderen Geschoß durch die Tür gekommen, und da stand er dann in einem Schrank drin.“ Noch am Brandtag schloß sich auch der regierende Bürgermeister Momper der Forderung der Feuerwehr nach einer Verschärfung der Vorschriften für den Brandschutz in kleineren Hotels an.

Thomas Knauf