Der Tiriac der DDR?

Thomas Emmrich, bester DDR-Tennisspieler aller Zeiten, will mit Macht seinen Sport pushen  ■  I N T E R V I E W

Mit 35 Jahren geht einer in die Lehre: Thomas Emmrich, der - unglaublich - 17 mal Einzelmeister seines Landes war und insgesamt 48 nationale Titel gewonnen hat, durchläuft seit der Öffnung der Grenzen quasi einen Schnellkurs in Sachen Tennis-Management. Auch zum Davis-Cup in Stuttgart hatte der agile Magdeburger eine Einladung. Ihn dort zu finden gelang nur mit Hilfe eines Kollegen aus Ost-Berlin: Emmrich saß in einer der VIP-Lounges und verhandelte mit potentiellen Sponsoren, Schläger- und Platzbauern. Die Resonanz auf seine Ideen haben ihn geradezu euphorisch gestimmt, und wenn es nach ihm ginge, würde es im Osten wie im Westen - nur nicht ganz so affig. Emmrich arbeitet (noch) als Trainer und ist ehrenamtlich im Präsidium der Tennisverbandes der DDR.

taz: Herr Emmrich, wie gefällt ihnen Tennis nach Art des Davis-Cup?

Emmrich: Wieso, ist hier irgendwo Tennis?

Schwer zu sagen, hier an den VIP-Buffets jedenfalls nicht.

Wissen Sie, mir steht das ganze Fressen hier oben. 0.k., ich hab‘ mir in New York beim Masters jede Menge Langusten reingetan, war ja was Neues nach all den Jahren. Es reicht.

Gefällt's Ihnen nicht?

Ein bißchen seltsam ist das schon: Nach zwei Sätzen gehen alle raus und hauen sich Champagner und Essen rein. Das Spiel dauert ja auch lange auf dem Boden, in der DDR auf Parkett geht das schneller.

Seit Wochen machen Sie den Hansdampf. Keine Talk-Show, kein Sport im Dritten Programm ohne Emmrich, der für das Tennis in der DDR trommelt. Können Sie hier überhaupt was lernen? Ist das Ihrer Welt nicht zu weit entrückt?

Lassen wir das Fressen mal weg, was unglaublich ist, dann schon. Man muß den Spielern Service bieten, fürs Publikum was machen.

Wo denn? Die wenigen Tennisplätze sind in schlechterem Zustand als die Straßen in der DDR.

Fangen wir ganz klein an: Zwei Plätze kostenlos für ein kleines Turnier, und der Hersteller darf Werbung machen. Vor Monaten mußte ich noch um jeden Schläger kämpfen, von einem Turnier in Braunschweig bin ich mit zehn Stück nach Hause gefahren, nur zum Testen.

Freundliche Geschenke, wie lange noch?

Die Firmen sind jetzt heiß, in zwei Jahren kann das anders sein. Deshalb muß schnell was passieren. Bei unserem besten Turnier muß der erste Preis in DM bezahlt werden, die Leute müssen stimuliert werden. Die Tendenz darf nicht wieder in Richtung Gleichmacherei gehen.

Die Preisgelder im Westen stimulieren mehr.

Gut, wir fangen bei Null an. Tennis in der DDR wurde vom Staat nicht gefördert, die Punktspiele der Oberliga waren lächerlich. Acht Zuschauer und kein Schiedsrichter. Aber Boris Becker hat bereits einen Showkampf bei uns zugesagt, ohne Geld. Das zieht.

Zuschauer vielleich, aber Sie haben keine Spieler.

Es wird sogar, auf Mannschaftsebene, in den nächsten drei, vier Jahren noch schlechter. Die guten, die in der BRD auf dem Niveau der Regionalliga spielen können, werden das tun. Und hüben und drüben spielen geht nicht. Die DDR wird Schwierigkeiten haben im kommenden Jahr, komplette Spitzenteams aufzustellen.

Wie viele könnten im Westen mitspielen?

Vielleicht drei Frauen und fünf Männer.

Viel auszuverkaufen ist da nicht, und der Markt ist in der DDR auch nicht berauschend.

Die Firmen wollen Gewinn machen mit ihrer Werbung, das hat Konsequenzen für unsere Währung undsoweiter. Aber es kostet nicht viel im Moment bei uns. Ich sehe Tennisplätze vor mir, mit grünen Plastikplanen drumrum, überall Coca-Cola drauf, und Wilson. Bisher mußten die Vereine dafür noch bezahlen, das ist vorbei.

Und das alles lernen Sie hier, vom großen Transsylvanier mit dem hängenden Schnauzbart?

Warum nicht. Ich hätte nichts dagegen, der Tiriac der DDR zu werden. Mein Name ist bekannt, und ich bin zu allem bereit.

Sie reisen jetzt viel, wer finanziert das?

Das sind alles Einladungen, aber ich werde das eigenständig weiterführen. Meinen Job als Tennistrainer habe ich nach meinem ersten Besuch in Braunschweig sofort gekündigt. Ohne Zeit läßt sich so eine Arbeit nicht machen.

Haben Sie schon Angebote?

Es ist verrückt. Ich muß hier nur rumsitzen, und alle kommen auf mich zu. Zwei haben konkret gefragt, ob ich nicht ihre Produkte vertreten will.

Mal im Ernst. Dieser ganze Zirkus hier, 10,8 Millionen Umsatz in drei Tagen, was ist denn da vergleichbar mit den Bedingungen in der DDR.

Ach, mit den Karten zum Beispiel ist es wie bei uns bisher. Die gehen an wichtige Betriebe und ausgewählte Leute. Der normale Bürger bleibt draußen.

Interview: Herr Thömmes