Wettlauf Osteuropas um Beziehungen zu Israel

Regierung in Jerusalem will „im großen Stil“ einsteigen / Gespräche über Direktflüge / Gysi: Viel Sympathie  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Nach Auffassung von Außenminister Mosche Arens gibt es derzeit in Osteuropa „fast ein Wettrennen“, diplomatische Beziehungen mit Israel wieder aufzunehmen, die 1967 abgebrochen worden waren. Befragt nach dem Verhältnis zur DDR, sagte Arens im Rundfunk, es sei offensichtlich, daß die osteuropäischen Länder ihre negative Haltung zu Israel und ihre unqualifizierte Unterstützung der arabischen Staaten aufgegeben hätten.

Arens benutzte den hebräischen Ausdruck „chozer betshuva“, um diese Tendenz zu charakterisieren. Damit wird normalerweise die Bekehrung weltlicher Juden, die es sich wohlergehen lassen, zum orthodowen Glauben beschrieben. Der Ausdruck impliziert auch soviel wie „seinen Lebenswandel überdenken und verbessern“ oder „Buße tun“. Der stellvertretende Außenminister Netanjahu begrüßte ebenfalls die weitreichenden Änderungen in Osteuropa. Israel könne nun seinen Handel mit West - und Osteuropa ausbauen. „Israel kehrt im großen Stil nach Europa zurück“, erklärte er. Noch in dieser Woche sollen Delegationen der staatlichen Fluglinien der CSSR und der DDR in Israel eintreffen, um über die Aufnahme von Direktflügen zu verhandeln.

In der Sonntagsausgabe der Zeitung 'Haaretz‘ bestätigen DDR -Ministerpräsident Hans Modrow und Parteichef Gregor Gysi in Interviews ihren Wunsch, über die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu verhandeln. „Es ist notwendig, die israelische Geschichte in einem neuen Licht zu sehen“, sagte Gysi. „Die deutsche Vergangenheit legt uns eine besondere Verantwortung auf, und wir glauben, daß das Bewußtsein hierüber zunimmt. Wir sind an Beziehungen mit Israel auf allen Ebenen interessiert, einschließlich der diplomatischen. Dies bedeutet nicht, daß wir mit Israel in allem und jedem übereinstimmen. Aber schließlich unterhalten wir Beziehungen zu vielen anderen Staaten, mit denen wir Meinungsverschiedenheiten auf vielen Gebieten haben“, sagte der SED-PDS-Chef in dem Haaretz-Interview.„Ich habe große Sympathien für Israel, und ich weiß seine Errungenschaften wirklich zu schätzen. Ich sehe eine klare deutsche Verantwortung für Israel, und ich werde diesen Punkt in öffentlichen Erklärungen betonen.“ Israelische Regierungsbeamte äußern sich jetzt optimistisch über die baldige Wiederaufnahme der beziehungen zur CSSR, betonen jedoch gleichzeitig, daß ein solcher Schritt im Falle der DDR keine Eile habe. Vorbedingungen sind die Anerkennung der Verantwortung für den Holocaust durch die DDR-Regierung und, für den Anfang, die Bereitschaft, Opfern von Nazi-Verbrechen Entschädigungen zu zahlen.