: Abriß unbegründet, Wartung und Konzept versagt
■ Nach wissenschaftlicher Untersung: „Initiative Weserkraftwerk“ erhebt Vorwürfe gegen den Senat
Das Bremer Weserwehr, 1987 in einer Blitzaktion abgerissen, müßte heute noch stehen, wenn allein sicherheitstechnische Gründe für seinen Abbruch im Blickfeld des Senats gestanden hätten. Zu diesem Ergebnis kommt die „Initiative Weserwehr“, die jetzt nach zweijähriger Arbeit den „Abriss des Weserwerks“ dokumentiert und den Handlungsspielraum des Senats in dieser Entscheidung analysiert hat. Die damalige Begründung: Das Wehr biete in seiner alten Form keinen angemessenen Schutz gegen das Hochwasser.
Die MitgliederInnen der Initiative haben sich in akribischer Kleinarbeit durch Konstruktionspläne, Gutachten und Fachliteratur gefressen. Sie kommen zu einem für den Bremer Senat wenig schmeichelhaften Ergebnis: Der damalige Abriß resultiere allein aus einer städtebaulichen Grundhaltung, die Abbaubaggern, Sprengungen und Planierraupen den Vorzug gebe vor ökologischen und okonomischen Gesichtspunkten.
Die Initiative Weserwehr be
legt ihre These mit einer Untersuchung der Bremer Hochwasserkatastrophe von 1981. Diese Überschwemmung, bei der 150 Kleingärten und Notunterkünfte am Werder-See überschwemmt worden waren, diente dem Senat als Vorwand für seine Entscheidung, das Wehr aus Gründen des Hochwasserschutzes abzureißen. Die Analyse der Initiative weist jedoch nach, daß die technischen Voraussetzungen für die Bewältigung der damals überflutenden Wassermengen ausgereicht hätten, wenn das Wehr ordnungsgemäß gewartet worden und das Hochwasserkonzept des Senats besser ausgearbeitet gewesen wäre.
Bereits am 13. November 1980 schlug wegen Materialermüdung der linke Wehrkörper des Wasserwehres durch. Zwar konnte er durch seine Verklemmung mit dem Steuerstand des Mittelpfeilers gerettet werden, aber: Der Körper war nicht mehr beweglich, konnte also den Steuerungsanforderungen bei Hochwasser nicht mehr gerecht werden. Als dann im März das Wasser der gro
ßen Schneeschmelze im Harz die Weser herabgedonnert kam, war das Wehr manövrierunfähig. Das Schmelzwasser, der Menge nach gerade die Hälfte des berechneten Durchlaßvolumens, drückte durch die Sperre auf der linken Seite auf die intakte rechte Seite des Wehres und „ordnungsgemäß“ nach Hochwasserplan in die vorgesehene Ablaufrinne geflutet. Dann kam es zur Katastrophe: „Offenbar hat niemand bei der Erstellung des Hochwasserkonzeptes bedacht, daß bei gleichzeitiger Ebbe in der Unterweser das Wassergefälle von über sieben Meter beim planmäßigen Überströmen des Deiches beim Hastedter Bulten eine Kraft entfalten könnte, die der Grasnarbe des Deiches nur kurze Zeit widerstehen würde.“ Der Deich brach.
Walter Ruffler von der Initiative Weserwehr faßt die Ursachen der Katastrophe zusammen. „Schlamperei, Bedienungsfehler und ein mangelhaftes Abflußkonzept haben zu der Überschwemmung geführt, in deren Folge das Wehr abgerissen wurde.“ In der Senatspolitik sieht er eine „Kette
von Fehlern“ bis hin zum Abriß des Wehres. Da stimme noch nicht einmal die Wirtschaftlichkeit in der Begründung für den Abriß, denn dafür treibe Bonn derzeit Geld aus Bremen ein.
Ein neues Kraftwerk, so verlangen es die AutorInnen, müsse
neben dem ökologischen Zweck der Energiegewinnung auch architektonisch als Teil einer Flußlandschaft geplant werden. Markus Daschne
Initiative Weserkraft: Der Abriss des Weserwerks, Steintor -Verlag, 1989, Preis: 19,80 Mark
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