Kultursenatorin übt den Hofknicks

■ Standortwechsel für das Deutsche Historische Museum: Um dem Bundeskanzler zu Gefallen zu sein, schlägt Kultursenatorin Martiny die Fläche am Spreebogen vor

Nicht nur von der AL, sondern auch aus der SPD-Fraktion kam gestern Protest gegen die Absicht des Regierenden Bürgermeisters Momper, am Mittwoch neben der Stromtrasse auch dem Deutschen Historischen Museum das Ja-Wort des Senats zu verschaffen. „Ich halte es für falsch“, erklärte der SPD-Abgeordnete Joachim Günther auf taz-Anfrage, „das jetzt zu entscheiden.“ Von einem „Kniefall vor Kohl“ sprach die kulturpolitische Sprecherin der AL-Fraktion, Sabine Weißler.

Der SPD-Politiker verwies auf einen Beschluß seiner Fraktion vom vergangenen Dienstag. Einstimmig hätten sich die SPD-Parlamentarier dafür ausgesprochen, angesichts der offenen Grenzen nun „in Zusammenarbeit“ mit Stadtplanern, Künstlern und Wissenschaftlern aus der DDR ein neues Museumskonzept zu entwickeln.

SPD-Kultursenatorin Martiny hat jetzt statt dessen ein ganz altes Konzept aus der Schublade gezogen. In einer Vorlage für die Senatssondersitzung am Mittwoch schlägt sie - wie die taz aus sicherer Quelle erfuhr - als Standort das Grundstück am Spreebogen neben der alten Kongreßhalle vor. Diese Fläche hatte der CDU/FDP-Senat für den Riesenbau ausgewiesen - auf Wunsch von Bundeskanzler Kohl, der sich seinerzeit diesen Platz für sein Geschenk an die Stadt ausgeguckt hatte.

Besonders wundern über Martinys Plan darf sich nun AL -Umweltsenatorin Schreyer. Sie ist die - eigentlich zuständige Senatorin für Standortfragen und hatte in dieser Funktion bereits vor einigen Wochen ein Grundstück auf dem sogenannten ULAP-Gelände nördlich der Spree vorgeschlagen. Schreyers Staatssekretär Groth kann Martinys Standortwechsel eigentlich „nicht verstehen“. Denn noch vor wenigen Wochen hatte die Kultursenatorin Schreyers Vorlage zum Standort schriftlich mitgezeichnet, ihr also zugestimmt.

Martinys Sprecher Zawatka findet die Kritik trotzdem „unfair“. Schließlich habe seine Senatorin die neue Vorlage nicht aus eigenem Antrieb, sondern im Auftrag des Senats geschrieben - nachdem Momper dem Bundeskanzler am 1.12. als Gegenleistung für neue Finanzhilfen rasche Entscheidungen über DHM und Stromtrasse versprochen hatte. Martiny habe „die undankbare Aufgabe“ gehabt, jetzt rasch „einmal alles zusammenzustellen“.

Das „gewisse Drängen“ aus Bonn, das man in der Kulturverwaltung meinte berücksichtigen zu müssen, schlug dann prompt auf die Grundstücksfrage durch. Am Spreebogen könnten die Fundamente relativ rasch gelegt werden; schließlich hatten Kohl und Exbürgermeister Diepgen hier schon 1987 hoffnungsfroh einen Grundstein gelegt. Schreyers Vorschlag hätte dagegen zur Konsequenz, daß der Baubeginn auf 1996 verschoben wird. Denn 1995 wird das ULAP-Gelände noch für die Bundesgartenschau gebraucht.

Martinys neue Vorlage berücksichtigt immerhin die breite Kritik an dem Entwurf, den der Mailänder Architekt Aldo Rossi für das Kohl-Museum abgeliefert hatte. Die Kultursenatorin schlägt deshalb einen neuen Wettbewerb vor. Groth fragt sich allerdings, ob es nicht „schwierig“ wird, von den Vereinbarungen mit dem Mailänder „runterzukommen“, wenn der Bauplatz nun doch an der Spree liegen soll: Gibt man Kohl den kleinen Finger - die Fläche am Spreebogen -, dann muß man ihm womöglich den Rossi-Entwurf auch noch genehmigen.

hmt