„A Wopbopaloobop A Lopbamboom“

■ Kleines Fernsehspiel am Dienstag, 19.12., 22.10 Uhr im ZDF

Dieser Filmtitel ist der Alptraum einer jeden Ansagerin und bürstet die Doktrin vom guten, griffigen, weil einprägsamen Titel gehörig gegen den Strich. Läßt man sich A Wopbopaloobop A Lopbamboom wenn schon nicht auf der Zunge, so doch wenigstens im Ohr zergehen, dann klingt von Ferne Little Richards „Tutti Frutti“. „I got a girl named Sue, she knows just what to do“, heißt es hier und später: „Tutti Frittiu, oh Rudy, A Wopbopaloobop A Lopbamboom“. Wer aber jetzt eine musikalisch-flockige Reise entlang der Quellen der Pop-Musik erwartet, wird enttäuscht, Originalhits aus den Sechzigern gibt es keine.

Auch wenn dieser Film im Winter 1962 spielt, es ist in Dudelange, einem luxemburgischen Grenznest, von Little Richard&Co. noch lange nichts zu hören. Statt dessen werden in den Geschäften die musikalischen Großtaten von Freddy, Gus Backus oder Peter Kraus feil geboten. Rock n‘ Roll in Dudelange ist 1962 noch ein Geheimtip. Die Eltern lamentieren über den Lärm, die Kids lesen 'Bravo‘, und wenn es heißt, Twist sei kein Gesellschaftstanz, sondern etwas Sexuelles, fangen die Mädchen an zu gackern. Der in wunderbaren Schwarzweißbildern fotografierte Film des gebürtigen Luxemburgers Andy Bausch ist eine Hommage an die Zeit, als die Musik noch Keile in die Familie trieb und der Besuch der nächsten Fete so wichtig wie die Luft zum Atmen war.

Die Figuren des Films sind in gewisser Hinsicht allesamt alte Bekannte. Wer kennt ihn nicht, Rocco (Birel Uenel), den verwegenen Herumtreiber, der plötzlich wieder „in town“ ist. Oder Hartmut (Konrad Scheel), der schüchterne Brillenträger, der sich vergebens verzehrt nach der schönen Vero (Desiree Nosbusch), die sich ihrerseits nicht entscheiden kann zwischen dem Abenteurer Rocco und dem wackeren Saubermann Daniel. A Wopbopaloobop A Lopbamboom hat sich im Figurenfundus der amerikanischen Halbstarken-Filme gründlich bedient. Und auch einzelne Motive sind den Marksteinen dieses Genres entlehnt: Das berühmt gewordene Autorennen aus Rebel without a cause von Nicholas Ray, bei dem die beiden Kontrahenten auf einen Abgrund zurasen und erst im letzten Moment abspringen, um ihren Mut zu beweisen. Auf luxemburgisch übersetzt heißt das: Zwei Widersacher fahren parallel mit ihren Zweirädern, jeder auf einem Schienenstrang, einem sich nähernden Zug entgegen... Dennoch ist A Wopbopaloobop A Lopbamboom alles andere als ein simples Plagiat.

Bausch gebraucht vielmehr die Genremuster, um sie mit den Ingredienzien seiner Heimat zu füllen. Der Blick, den er auf seinen Geburtsort Dudelange wirft, ist geprägt von den Seherfahrungen amerikanischer Filme, doch ist der Regisseur darüber nicht blind geworden für die Wirklichkeit seiner Heimat. Einer Heimat, die, kaum größer als das Saarland, in der Geschichte ständig Gefahr lief, zwischen den Großmächten Frankreich und Deutschland zerrieben zu werden. Und so sind denn auch die offiziellen Staatssprachen im Großherzogtum Französisch und Letzeburgesch (Luxemburgisch), wohingegen die Tageszeitungen fast ausschließlich in deutscher Sprache erscheinen. Bausch hat viel Mühe darauf verwendet, der Zwei bzw. Dreisprachigkeit seines Landes gerecht zu werden. Mehr noch, er nutzt die Vielsprachigkeit, um soziale Konflikte zu markieren. Gleich zu Beginn des Films prügelt eine Horde luxemburgischer Soldaten einen Franzosen aus einer Kneipe. Die herbeigeeilten französischen Freunde des Geschlagenen verzichten aber auf einem Kampf an Ort und Stelle; man verabredet sich für den bevorstehenden Silvesterball, dem unvermeidbaren Showdown. Hier soll sich alles entscheiden, hier treffen alle Stränge der Geschichte aufeinander. Hartmut wird schmerzlich erfahren, daß er bei Vero nicht landen kann, Rocco muß nach einem mißglückten Diebstahl erneut das Land verlassen, und Daniel gerät als Franzose, der ein Auge auf die Luxemburgerin Vero geworfen hat, zwischen die verfeindeten Banden.

A Wopbopaloobop A Lopbamboom ist ein mit bestechender Sorgfalt erzählter Film. Das betrifft nicht nur das Drehbuch, sondern auch die ausgezeichnete Filmmusik von Gast Walzing und Maggie Parke, die dem Film des erst 30jährigen Bausch eine Nominierung für den Europäischen Filmpreis, Sektion Musik, einbrachte. In dieser Sorgfalt liegt aber auch eine Vision. Die Idee nämlich, mit den Mitteln des traditionellen Erzählkinos authentische Geschichten erzählen zu können. Geschichte, deren kulturelle und regionale Wurzeln nicht durch die Zwänge konventionellen Erzählens abgekappt werden. A Wopbopaloobop A Lopbamboom ist der gelungene Beweis dafür, daß die Symbiose von Genrekino und Authentizität lebensfähig ist.

Friedrich Frey