Sieben Wochen Streik bei British Aerospace

Einzelerfolge, aber kein nationaler Tarifvertrag für die Arbeitszeitverkürzung  ■  Aus London Jerry Sommer

Nach sechs Wochen Streik für die Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 35 Stunden sind gestern die 2.000 ArbeiterInnen des Glasgower Betriebs von Rolls Royce (RR) wieder zur Arbeit zurückgekehrt. Zuvor hatten sie einem Kompromiß mit deutlicher Mehrheit zugestimmt, der zwischen den betrieblichen gewerkschaftlichen Vertrauensleuten und dem Rolls-Royce-Management ausgehandelt worden war. Danach wird die Wochenarbeitszeit bis November 1991 in drei Stufen auf durchschnittlich 37 Stunden reduziert.

Die Verhandlungen um Arbeitszeitverkürzung in der britischen Metallindustrie werden damit weiterhin ausschließlich auf betrieblicher Ebene geführt, nachdem der Metallunternehmerverband nationale Tarifverhandlungen im November für „beendet“ erklärt hatte. Außer bei Rolls Royce ist es den Gewerkschaften inzwischen in sechs weiteren Betrieben gelungen, eine Verkürzung auf 37 Wochenstunden zu vereinbaren. Schon Anfang Dezember war nach einem einwöchigen Streik von 1.000 ArbeiterInnen bei Smith Industries in Cheltenham ein entsprechendes Abkommen abgeschlossen worden.

Demgegenüber begann in den Werken Chester und Preston von British Aerospace (BAe), in denen unter anderem Teile für das Tornado-Kampfflugzeug und den zivilen Airbus hergestellt werden, gestern die siebte Streikwoche. In einem weiteren Werk in Kingston ruht die Arbeit seit dem 16. November. Gegenwärtig sind 6.000 ArbeiterInnen von British Aerospace im Streik für die 35-Stunden-Woche.

Das Unternehmen bietet zwar die 37-Stunden-Woche bis 1992 an, weigert sich aber, mit den Gewerkschaften in betriebliche Verhandlungen einzusteigen, bevor die Streiks abgebrochen sind. Die Gewerkschaften lehnen diese Vorbedingung ab. Belegschaftsversammlungen in allen drei Werken haben diese Haltung bestätigt.

Statt dessen versucht British Aerospace den Streik mit Zuckerbrot und Peitsche zu brechen. Etwa 200 ArbeiterInnen werden täglich unter Polizeischutz in Bussen von anderen Werken in den Betrieb in Preston gefahren.

In anderen Werken verweigerten sich ArbeiterInnen einer solchen „Umpflanzung“. Daraufhin dekretierte der Konzern für 700 Beschäftigte unbezahlte Feierschichten. Die Produktion kann so zwar nicht wieder in Gang gebracht werden, aber die Maßnahme soll demoralisieren und die Streikenden spalten, meinen die Gewerkschaften.

Dasselbe Ziel verfolgte der Konzern auch mit dem Angebot an alle Streikenden, ihnen drei Streikwochen voll zu bezahlen, falls sie am gestrigen Montag wieder die Arbeit angetreten haben würden. Nach Angaben der Gewerkschaften sind jedoch nur wenige dieser finanziellen Verlockung erlegen.

Die Gewerkschaften richten sich jetzt auf eine längere Auseinandersetzung mit BAe ein. Unter anderem sahen sie sich gezwungen, seit vergangener Woche die Streikunterstützung von 125 Pfund (350 DM) auf 60 Pfund (168 DM) zu reduzieren. Ursache dafür ist, daß die Solidaritätszahlungen von den KollegInnen aus nichtbestreikten Metallbetrieben nicht im gewünschten Umfang einlaufen.

Die britischen Metall-Gewerkschaften sehen die Auseinandersetzung um die 35-Stunden-Woche als „historisch“ an, weil sie anders als in den vergangenen zehn Jahren unter einer Thatcher-Regierung „in der Offensive“ seien. Aber nun müssen sie ihre Strategie neu durchdenken, weil sie ursprünglich mit den Schwerpunktstreiks ein nationales Abkommen über Arbeitszeitverkürzung erreichen wollten.

Jetzt steht nicht nur zur Debatte, wie der Kampf gegen BAe weitergeführt werden kann. Ebenso muß entschieden werden, wie die ersten Teilerfolge auf die rund 4.000 Betriebe mit über einer Million ArbeiterInnen in diesem Industriezweig übertragen werden können, ohne daß ein nationaler Tarifvertrag in Sicht ist. Die Beratung einer zentralen Konferenz der britischen Metaller zu diesem Thema dauerte gestern in London bei Redaktionsschluß noch an.