Brasiliens Rechte gewinnt die Wahl

■ Der Senkrechtstarter Fernando Collor de Mello, ein rechter Populist, wird Präsident des größten Landes Lateinamerikas / Der Linkssozialist Lula knapp unterlegen

Mit einem knappen Vorsprung vor seinem linkssozialistischen Gegner hat der rechte Populist Fernando Collor de Mello die brasilianische Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag für sich entschieden. Nach Auszählung von 82,5 Prozent der Stimmen sprachen sich 52,4 Prozent der Brasilianer für Collor aus und nur 47,6 Prozent für den früheren Metallarbeiter Luis Inacio Lula da Silva, dessen „Volksfront“ auch von der breit verankerten Basiskirche unterstützt wurde. Collor gewann überdurchschnittlich viele Stimmen auf dem Land, während Lula sich mit Ausnahme von Sao Paulo offenbar in allen Großstädten durchsetzte. Es waren die ersten direkten Präsidentschaftswahlen seit 1960. Collor wird im nächsten Frühjahr die Nachfolge von Jose Sarney antreten, der nach 21 Jahren Militärdiktatur 1985 Präsident wurde.

Vor einem Jahr noch war Fernando Collor nur den allerwenigsten Brasilianern bekannt. Erst im April dieses Jahres begann der kometenhafte Aufstieg des Exgouverneurs des kleinen Bundesstaates Alagoas im Nordosten des Landes. Sicher hat der 40jährige Senkrechtstarter seinen Erfolg zu einem guten Teil dem 84jährigen Fernsehzar Roberto Marinho zu verdanken, der den Sprößling der Oligarchie regelrecht aufgebaut und landesweit als Mann der Zukunft verkauft hat. Marinho ist Besitzer einer Tageszeitung mit einer halben Million Auflage, von 18 Radiostationen und vor allem von „TV Globo“, nach den US-Networks CBS, ABC und NBC viertgrößte Senderkette der Welt.

Collor verstand es, sich glaubwürdig als Vorkämpfer gegen die in Brasilien weit verbreitete Günstlingswirtschaft zu präsentieren. Er legte sich erfolgreich das Image eines „Maharadscha-Jägers“ zu. Als „Maharadschas“ gelten in Brasilien die zahlreichen Inhaber hoher politischer Ämter, die ganz nebenbei noch als Institutsdirektoren, Professoren oder Verwaltungschefs saftige Zweit-, Dritt- und Viertgehälter abkassieren, ohne je auch nur den Fuß in ein Insitut, eine Universität oder ein Verwaltungsgebäude gesetzt zu haben. Daß Collor 1983 als Bürgermeister von Maceio in der letzten Woche seiner Amtszeit noch auf die Schnelle 3.000 Beamte einstellte, tat diesem Image offenbar keinen Abbruch, und auch nicht, daß er als Gouverneur von Alagoas die familieneigene Fernseh- und Radiokette großzügig über Anzeigen aus der Staatskasse alimentierte.

Fernando Collor de Mello entstammt einer Politikerfamilie. Sein Großvater war brasilianischer Arbeitsminister, sein Vater ging dadurch in die Geschichte ein, daß er als Senator im Streit einen Kollegen im Senatsgebäude mit dem Revolver erschoß. Fernando selbst wurde mit 29 Jahren Bürgermeister von Maceio und trat bald danach in die „Arena“, die politische Partei der Militärdiktatur ein. 1982 wurde er Bundesabgeordneter der PDS, die die Nachfolge der „Arena“ antrat. Als die Generäle abdankten, unterstützte er als Mitglied des Wahlgremiums, das den Präsidenten zu wählen hatte, Paulo Maluf, den zivilen Kandidaten der Militärs, gegen den liberalen Tancredo Neves, der die Wahl dann doch gewann, aber noch starb, bevor er die Präsidentschaft antreten konnte. 1985 wechselte er zu dessen Partei PMDB über und gewann 1986 als deren Kandidat die Gouverneurswahl von Alagoas. Letztes Jahr gründete er die „Partei der Jugend“ und in diesem Jahr schließlich die „Partei des nationalen Wiederaufbaus“ (PRN), deren einzige Sinn darin bestand, ihm die Kandidatur zu ermöglichen. Programmatisch hat sich der Wahlsieger nur in vagen Allgemeinplätzen geäußert, die darauf hindeuten, daß er einen neuen, unkonventionellen Stil in die brasilianische Politik einführen, ansonsten aber im wesentlichen die tradierte Politik fortführen wird.

Thomas Schmid