DDR-Autonome für Zwangsumtausch

■ Unabhängige Initiative berät am Prenzlauer Berg Maßnahmen gegen Aufkauf der DDR mit Westmark / Mit D-Mark als Erstwährung würden DDRlerInnen BürgerInnen zweiter Klasse

Ost-Berlin (taz) - Wenn die Visumpflicht und der Zwangsumtausch für Bundesbürger und Westberliner in der DDR aufgehoben werden, könnte das für die DDR katastrophale Folgen haben. Angesichts dieser düsteren Prognose forderten gestern vor dem runden Tisch die „Autonome Aktion Prenzlauer Berg“ Krisenmanagement statt leerer Parolen. „Jeder Sozialhilfeempfänger aus dem Westen kann dann ohne Anmeldung in der DDR wie 'Gott in Frankreich‘ leben“, heißt es in einem Aufruf, für den die „Autonome Aktion“ verantwortlich zeichnet. Das Szenario, das die Ostberliner Aljoscha Rompe (42) und Christoph Zimmermann (22), beide Musiker der DDR -Rockband „FeelingB“ und Mitinitiatoren der „Autonomen Aktion“, entwerfen: Die Westmark wird „Erstwährung“, und die Malocher im ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaat werden sich „endgültig verscheißert fühlen.“

Staatlich subventionierte Preise und ein Umtauschkurs der DDR-Mark von eins zu vier bis eins zu sechs hätten nicht nur zur Folge, daß die Besitzer der begehrten Westdevisen „bis zu tausend Prozent billiger als zu Hause essen und trinken“ können. Folge wäre auch, daß der Dienstleistungsbereich, insbesondere in Ost-Berlin, mit Westgeld regelrecht überschwemmt wird. Die DDRlerInnen würden damit im eigenen Land nur BürgerInnen zweiter Klasse.

Die Autonome Aktion, die „autonom“ im strengen Sinn als eigenständig und unabhängig verstanden wissen will, lud am Sonntag abend zu einem Treffen am Prenzlauer Berg. Einig waren sich die etwa 40 BesucherInnen, vom einfachen SED -Parteimann über das Kreisvorstandsmitglied der NDPD bis hin zu zwei Redakteurinnen des DDR-Fernsehens, daß die Aufhebung von Visumpflicht und Zwangsumtausch rückgängig gemacht werden müsse. Wenn die DDR nicht zum „Billigland der BRD“ verkommen soll, müsse schnell gehandelt werden.

Die InitiatorInnen berichteten von ihren fehlgeschlagenen Versuchen, während der vergangenen Woche auf führende Vertreter von Oppostionsgruppen und auf SED-Funktionäre Einfluß zu nehmen. Die einzelnen Gruppen wären zur Zeit mit ihren eigenen Gründungen und dem Wahlkampf für den 6.Mai beschäftigt. Als einer der wenigen hätte der Schriftsteller Stefan Heym die Tragweite des Abkommen mit der Bundesrepublik begriffen und vor einem „Umschlagen der friedlichen Revolution“ gewarnt.

Übereinstimmend wurde am Ende des Treffens beschlossen, nun an den runden Tisch von Regierung und Oppositionsgruppen als letzte Instanz heranzutreten. Ob dort aber, wie gefordert, „aus Vernunftgründen eine Aussetzung dieses Vertrages“ beschlossen wird, scheint mehr als fraglich.

Wolfgang Gast