Sängerwettstreit

■ Defa-Film „Einer trage des anderen Last“, 22.40 Uhr, ZDF

Zwei Männer stehen mit schaumig-weißen Gesichtern, rasieren sich. Sie singen. Zuerst nebenbei, leise, dann lauter, demonstrativ. Der eine schmettert die „Internationale“, der andere „Ein‘ feste Burg ist unser Gott“. Zuletzt ist's ein Wettgesang, daß die Scheiben erzittern, und das alles in Schlafanzughosen.

Im Januar 1988 uraufgeführt, wurden wenig später die beiden Hauptdarsteller Manfred Möck und Jörg Pose - eben jene in ideologischem Sängerwettstreit liegenden Herren - bei der Berlinale mit dem Darstellerpreis gewürdigt. Der internationale Siegeszug des Films begann. Für eine DDR -Produktion eher stiller Art fast eine Sensation: Der Film wurde in 17 Länder verkauft, zu Festivals, Retrospektiven und Filmwochen in die ganze Welt eingeladen, fand ebenso großes Interesse bei weit über einer Million Zuschauern zwischen Stralsund und Plauen wie bei den UNO-Vertretern im New Yorker Hauptquartier.

Die Konstellation des Filmes ist einfach: Ein Marxist Kommissar der Volkspolizei - und ein Christ - evangelischer Vikar - treffen in einem Lungensanatorium des Jahres 1950 aufeinander. Weltanschauliche Auseinandersetzungen führen weit in unsere Zeit. Trotz existentieller Fragen kann gelächelt, gelacht werden. „Das hat mit meinem Gefühl für Realismus zu tun“, so Lothar Warneke. „Diese alternative Denkstruktur, das Leben sei entweder tragisch oder komisch, habe ich nie so recht nachvollziehen können. Ich glaube, daß Wirklichkeit immer in irgendeiner Weise komisch und traurig zugleich ist, je nachdem, von welchem Standpunkt man sie sieht.“

Einer trage des anderen Last ist die elfte Arbeit des Regisseurs Lothar Warneke (53). Der Leipziger studierte zunächst Theologie, trat dann jedoch aus der Kirche aus und wurde Marxist. Noch als Vikar bewarb er sich an der Deutschen Hochschule für Filmkunst und studierte dort (nach einem Arbeitsjahr in der Baumwollspinnerei Leipzig) Regie. Inzwischen ist der Defa-Regisseur auch Professor an seiner ehemaligen Ausbildungsstätte in Potsdam-Babelsberg.

Warneke dreht meist Gegenwartsfilme, Alltagsgeschichte, in denen es nicht um Tod und Leben geht. Er kombiniert Dokumentarisches und Fiktives, versucht sich an Formen der offenen Dramaturgie, besetzt Schauspieler neben Laien, dreht im Originalmilieu.

Maria M. Walther