Frauen in der Bundeswehr-betr.: "Ich brauch keine Liebelei...", taz vom 13.12.89

betr.: „Ich brauch keine Liebelei...“, taz vom 13.12.89

(...) Tatsächlich gibt es Gründe genug, Simone de Beauvoirs These vom „Fluch der Frauen“ zu bedenken. Hinter dem „Amazonen-Mythos“ (unabhängig von einem tatsächlichen Realitätsgehalt des Hintergrunds) verbirgt sich das definitive Interesse der herrschenden Männer die Frauen zu entwaffnen, um sie als Politikum ausschalten zu können. Noch immer ist die Wehrpflicht - so gut wie unproblematisiert von der Linken und der Frauenbewegung - das manifeste Moment der Rollensplittung mit größter Bedeutung für die jugendliche Sozialisierung (siehe dazu Literatur von Hanne Birckenbach).

Ich halte es für Unsinn, die bürgerliche Rollensplittung wesentlich von der „industriellen Revolution“ abzuleiten, wie das meist geschieht. Vielmehr gibt es Hinweise, daß dies ein Ergebnis der Militarisierung der Französischen Revolution gewesen ist. Olympe de Gouges wird geköpft, als die Levee en masse eingeführt wird (1793). Die bürgerliche Wehrpflicht-Philosophie definiert den „Staatsbürger als geborenen Verteidiger des Staates“ und gleichzeitig „den Mann als Soldaten“. Hiermit wird also (in der Konsequenz bis heute) ein bestimmtes Männlichkeitsideal (Held) als Grundlage für ein neues Politikverständnis formuliert, das den „Schwächling“ als nichtexistent (auf gut deutsch: als zu eliminierend) erklärt - und die Frauen als „privat“. Immerhin muß man dem zugute halten, daß uns diese antiquierte patriarchale Sicht bislang die totale Militarisierung der Gesellschaft erspart hat.

Es ist - ein leider in der Friedensbewegung gepflegter Mythos, daß das Thema Frauen und Bundeswehr Ursache angeblich vorhandener Lücken sei. Das wirkliche Triebmoment ist auch die im Militär vorhandene Wahrnehmung, daß die alte Rollendefinition (auf die Dauer) nicht mehr haltbar ist. Wenn Frauen fordern: „Wir wollen von allem die Hälfte. Die Hälfte der Macht und die Hälfte der Arbeit.“ (Rabenmüttermanifest, Katja Leyrer), oder wenn auch die Quotierung nur die realpolitische Konsequenz der Frauenbewegung ist, dann wird auch diese Quotierung nicht an der Armee vorbeigehen! Die konservativen Kräfte wehren sich gegen diese Einsicht, und so dient dann die behauptete „Lücke“ als vorgeschobenes Argument, dem sich manche Vaterlandsverteidiger nicht entziehen können. Weil es dem bürgerlichen Geschichtsverständnis diametral widerspricht, widersetzt man sich der historischen Einsicht, daß es die militärische Relevanz ist, die letztlich den „Wert“ einer Rolle bestimmt. Solange die Soldatin noch keine Selbstverständlichkeit geworden ist, können (und werden) faschistische Bewegungen das alte Rollenmuster auch nach größter Emanzipation wieder durchsetzen. Umgekehrt sind es gerade revolutionäre Bewegungen, wo sich die Soldatin als Selbstverständlichkeit darstellt, wie man auch bei der RAF den „übergroßen“ Frauenanteil feststellte. Doch welche Konsequenzen in den stehenden Truppen hätte die „Selbstverständlichkeit“ der Soldatin?

Die Fortspinnung dieser Vorstellungen, bei allem, was man auch schon bereits an Erfahrungen mit dieser „Integration“ hat, kann doch eigentlich nur darauf verweisen, daß die Probleme recht fundamental sind und daß eine handfeste Auseinandersetzung mit dieser Thematik dringend notwendig wäre. Weil es einige lieb gepflegte Naivitäten drastisch über den Haufen wirft. Doch es drängt auch die Zeit, weil die Gefahr der Umwandlung der allgemeinen Wehrpflicht (die so allgemein nie gewesen ist) in eine allgemeine Dienstpflicht groß ist. Die Dienstpflicht führt (wie es heute bereits der Zivildienstleistende schon ist) den entrechteten Staatsbürger wieder ein (und ohne Kopplung an den immer noch oben festgelegten militärischen Bedarf ließe sich auch die Wehrpflicht für Frauen ein, ohne - wegen einer angeblichen Wahlfreiheit - die ansonsten notwendige Rollendebatte führen zu müssen. Der Bundeswehrverband spricht sich schon lange für die allgemeine Dienstpflicht aus.

Christoph, Ex-Totalverweigerer, Initiative gegen die Wehrpflicht, Witten