Das Drama der DDR-Opposition

■ Kohl und Modrow in Dresden

Das Treffen Kohl-Modrow, die Vereinbarungen, die sich anbahnenden Verträge und Kredite zwischen der DDR und der Bundesrepublik vermitteln den Eindruck, als würden da zwei souveräne Regierungen miteinander verhandeln, die dazu auch legitimiert wären. Für die Bundesregierung trifft das zu auch wenn einem das im Ergebnis nicht gefällt. Aber wie sieht es mit der Legitimation der DDR-Regierung aus? Es ist eine durch und durch illegitime Regierung. Sie ist weder demokratisch gewählt, noch ist sie eine Übergangsregierung in der die alte Nomenklatura wenigsten gleichberechtigt neben denjenigen vertreten ist, die den friedlichen Umsturz in der DDR durch ihre Demonstrationen überhaupt erst ermöglichten. Noch sitzt die Opposition ziemlich machtlos am runden Tisch und wird - wenn überhaupt - erst nachträglich von den Ergebnissen der Kohl-Modrow-Gespräche informiert.

So schön es ist, daß das Brandenburger Tor geöffnet worden ist, die Visapflicht und der Zwangsumtausch schon Weihnachten fallen, so tragisch ist die Kehrseite der Vereinbarungen. Denn wer verhandelt darüber eigentlich mit wem? In bundesdeutschen Sonntagsreden und neuerdings auch in der SED wird ja die Demokratie beschworen - in welchem Gegensatz dazu stehen die derzeitigen Gespräche. Der Ruf nach Demokratie in der DDR ist unglaubwürdig, wenn jetzt schon Verträge geschlossen werden bevor überhaupt demokratische Institutionen geschaffen worden sind, Wahlen stattgefunden haben. Im Übrigen: Wenn es zur Zeit überhaupt legitimierte Gesprächspartner der Bonner Regierung in der DDR gibt, dann sitzen die jedenfalls am runden Tisch und nicht im Kabinett.

Der Effekt des Kohl-Modrow-Treffens in Dresden ist absehbar: Stärkung der DDR-Regierung und ein damit einhergehender Machtverlust der Opposition. Das gefährdet auch strukturell den Demokratisierungsprozeß in der DDR. Wenn die Opposition da keine Notbremse zieht, enthauptet sie sich selber. Aus der Bundesrepublik jedenfalls ist angesichts des deutschen Vereinigungstaumels aller großen Parteien kaum politischer Widerstand gegen dieses Abwürgen der November-Revolution zu erwarten

Max Thomas Mehr