Aus den Niederungen der Hochschule

■ Deutsche Wacht am Pult

Die Studenten stürmen die Hörsäle: Vollversammlungen statt Vorlesungen. Streik. Widerstandslos räumen die Professoren das Pult. Manche hasten in geradezu verräterischer Eile in ihre Büros, um die unverhofft gewonnene Zeit für Forschungsarbeiten zu nutzen. Die Ehrlichen unter ihnen geben sogar offen zu, daß ihnen so ein Studentenstreik sehr zupaß kommt, da er ihnen viel freie Zeit beschert.

Ein Jahr ist es her: die Pflichtvergessenheit deutscher Professoren, die beim Herangehen der 1988/89er Studentenbewegung beinahe fluchtartig ihr Vorlesungspult verließen. Manchem gestandenen Professor müssen die Haare zu Berge gestanden haben. Damit sich diese Katastrophe nicht wiederholt, hat der Deutsche Hochschulverband, die Standesvertretung der Professoren, „auf Anregung und unter tatkräftiger Mithilfe“ des TU-Professors von Stebut einen Ratgeber verfaßt.

Mit seiner Hilfe sollen die Professoren, die im letzten Wintersemester so schmählich versagt haben, in die Lage versetzt werden, „angemessen und überlegen“ auf studentisches Aufbegehren zu reagieren. Denn: „Es ist die dienstliche und hochschulpolitische (!) Pflicht des Professors, Störern entschieden entgegenzutreten.“ Keinesfalls darf der Professor freiwillig das Katheder räumen. „Die schweigende Mehrheit der Studenten“ hat er gegen die Störer zu aktivieren. Dem Präsidenten hat er Meldung zu machen, damit der ein universitäres Ordnungsverfahren einleitet, und Strafantrag zu stellen wobei ihm der Ratgeber freistellt, ob wegen „Nötigung, Körperverletzung, Beleidigung oder anderer Delikte“.

Dem Hochschulverband ist klar, daß die phantasievollen Ratschläge nur Sinn machen, wenn die „Störer“ namentlich erfaßt werden können. „Alle Möglichkeiten sind zu nutzen, um Störer zu identifizieren.“ Leider endet an diesem Punkt die Weisheit des professoralen Ratgebers. Schon hätte der rat und tatkräftige Herr von Stebut den Hochschulen vielleicht ein interdisziplinäres Projekt mit den örtlichen Banken und Sparkassen vorschlagen können, um nach dem Vorbild von Bankschaltern die Möglichkeiten einer Videoüberwachung zu erkunden.

Moderne Technik könnte so dem Hochschullehrer von heute helfen, das zu bewahren, was die Altvorderen mit Mannesmut selbst in stürmischen Zeiten zu verteidigen gewußt hatten. Denn - so belehrt uns der Ratgeber: „Die Universität hat 1968 nur durch den Einsatz der Professoren, die für die Freiheit von Forschung und Lehre eingetreten sind, unbeschadet überlebt.“

Und wenn es vielleicht doch nicht die Universität war, die alte Universität der Talare, so möge es wenigstens der Professor als deutsche Wacht am Pult sein.

wist