„Selbstzerstörerisches Nichts ohne Utopie“

■ Die umstrittenen Presseerklärungen aus dem AStA der Freien Universität sind der Gipfel einer jahrelangen Misere des FU-AStA Scharfe Kritik bei Linken / AStA-Funktionäre sichern sich seit Jahren ihre Pfründe durch Unterstützung von Präsident Heckelmann

Es gärt in der Studentenschaft der Freien Universität. Zwei Presseerklärungen aus dem FU-AStA haben nicht nur rechte Gruppierungen veranlaßt, erneut den Rücktritt der links -alternativen Studentenvertretung zu fordern. Auch im linken Spektrum brodelt es. Im Oktober hatte der AStA im Jubelton der Honecker-SED zum vierzigsten DDR-Geburtstag gratuliert. Anfang Dezember wurde eine Sympathiekundgebung zu der auf den Herrhausen-Mord anspielenden RAF-Parole „Der König ist tot“ an die Medien geschickt (taz berichtete).

In einem internen Diskussionspapier linker Studentenparlamentarier werden die umstrittenen Presseerklärungen jetzt scharf kritisiert. „Das Heraustickern indiskutabler Presseerklärungen einer Kleinstgruppe 'Antiimperialistischer KommunistInnen'“ offenbart nach Ansicht der linken Studentenparlamentarier, die das Papier verfaßt haben, „pure politische Interessenlosigkeit“ und ein „selbstzerstörerisches Nichts ohne jede Utopie“.

Das Papier ist Grundlage für einen Diskussionsprozeß, den einige linke Studentenparlamentarier über die gegenwärtige AStA-Politik in Gang setzen wollen. Ohne eine Kehrtwendung in der AStA-Politik stehen nach ihrer Einschätzung die Zeichen auf Sturm - fürchten sie das Ende links-alternativer Hegemonie im FU-Studentenparlament.

Die ominösen Presseerklärungen spiegeln den desolaten Zustand wider, in dem sich zur Zeit der FU-AStA befindet. Ohne politischen und organisatorischen Zusammenhalt wurschteln einzelne StudentenvertreterInnen und einzelne Referate vor sich in. Eine politische Plattform als Grundlage der AStA-Arbeiten gibt es nicht.

Chaos hat zu der Verantwortungslosigkeit geführt, die die Eskapaden des Öffentlichkeitsreferats möglich gemacht hat. Nirgends wird im AStA abgesprochen, welche Presseerklärungen über den Ticker, der an diesem Referat zur Verfügung steht, an die Öffentlichkeit gehen. Fatal ist, daß in diesem Referat ReferentInnen sitzen, die in ihrem hohlen Verbalradikalismus nicht zu übertreffen sind.

Daß sie heute an der publizistischen Schaltstelle des FU -AStA sitzen, ist eine Niederlage der Studentenbewegung vor einem Jahr. Die Bewegung hatte neue Strukturen innerhalb der studentischen Politik schaffen wollen, auch mit den Streikblättern 'Besetzt‘ und 'Lieblingszeitung‘ . Während und nach dem Streik machten deren Redakteure die studentische Öffentlichkeitsarbeit. Bei der Neukonstituierung des AStA wurden sie durch Intrigen aus dem Öffentlichkeitsreferat herausgedrängt.

Damit war auf AStA-Ebene der Anspruch der Streikbewegung, auch die Studentenpolitik zu erneuern, gescheitert, und die Misere des FU-AStA konnte sich fortsetzen. Sie ist eine Begleiterscheinung der Präsidentenschaft Heckelmanns, seit dessen Wahl die AL als Mehrheitsfraktion im AStA eine zwielichtige Rolle spielte. Der AStA ließ Heckelmann trotz seiner Skandale in Ruhe - und wurde umgekehrt auch von ihm in Ruhe gelassen. Bei Abstimmungen in den Uni-Gremien sorgten die Alternativen zusammen mit den Undogmatischen aus dem wissenschaftlichen Mittelbau dafür, daß Heckelmann immer die nötige Stimmenzahl erhielt. Architekt dieses verdeckten Zusammenspiels war der Heckelmann-Intimus Peter Lange (heute Referent des Vizepräsidenten Bütow). Der Lohn: Fast alle alternativen AStA-Referenten, die sich an diesem Spiel beteiligten, sind mit Stellen versorgt worden. Bestes Beispiel: Der ehemalige Finanzreferent des AStA, Heini Lüken -Klaßen, ist heute Finanzsachbearbeiter in der FU-Verwaltung und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Otto-Suhr-Institut.

Der Preis: Die Arbeit des AL-dominierten AStA wurde von Jahr zu Jahr konzeptionsloser, denn zu dem „Stillhalteabkommen“ zwischen Heckelmann und AStA gehörte faktisch, daß letzterer keine wirkliche studentische Oppositionspolitik mehr betreiben konnte. Die alternativen Geldverteiler kauften damit zugleich die Unterstützung für ihre Politik bei ihren Koalitionspartnern ein. Zukunftsträchtige politische Konzepte zu entwicklen, wie dies zur gleichen Zeit im AStA der TU geschah, war unter diesem Vorzeichen unmöglich.

Winfried Sträter