Schwulenzeitung für Polen - die erste in Osteuropa

■ Die Redakteure des Blattes bleiben aber einstweilen noch anonym / 'Kabaret'-Auflage beträgt nur tausend

Warschau (taz) - In diesen Tagen wird zirka tausend polnischen Männern ein Magazin ins Haus flattern, auf das viele von ihnen jahrzehntelang gewartet haben: 'Kabaret‘ ist die erste legale Homosexuellenzeitschrift in Osteuropa. Eine Art polnische Samizdat (Untergrundpresse) hat es zwar bisher auch schon gegeben, hergestellt in Österreich, doch noch im vergangenen Jahr war selbst die Registrierung einer Minderheitenvertretungen für Schwule und Lesben in Warschau vom Gericht abgelehnt worden. Nun sind die Zensoren, die über die Herausgabe neuer Zeitschriften immer noch entscheiden, zu dem Schluß gekommen, daß 'Kabaret‘ weder der Staatsräson noch den polnischen Bündnisverpflichtungen schadet und somit zugelassen werden muß.

Daß gleichgeschlechtlich Liebende Schaden anrichteten, ist unter der zu 95 Prozent katholischen Bevölkerung Polens ein weitverbreitetes Vorurteil: Schaden richteten sie angeblich an bei Kindern, weil sie sie angeblich verführen, bei Erwachsenen, weil sie Aids verbreiteten, der Gesellschaft, weil sie angeblich kriminell sind, und der Kirche, weil sie sich nicht an deren Regeln halten. So ist eines der Ziele der Zeitschriftengründer auch, „daß in Zukunft ein Piotr oder Krzysztof auf dem Lande nicht verzweifeln muß, weil er mit niemand über seine Homosexualität reden kann“. Das Zitat stammt aus der Warschauer Tageszeitung 'Zycie Warszawy‘, die als erste über die Initiative berichtet hat. Die drei Redakteure des schwulen Blattes bleiben aber einstweilen anonym. 'Zycie Warszawy‘: „Die Intoleranz gegenüber den polnischen Gays hat eine lange, jahrhundertelange Tradition. Sie wächst auf dem fruchtbaren Grund des katholischen Familienmodells, das der Zeugung von Kindern Priorität einräumt.“

Eine halbe Million „gejowie“, wie die polnische Übernahme des englischen Ausdrucks lautet, gibt es, so wird geschätzt, jenseits der Oder. Bisher haben sie sich in größeren Städten wie Krakau, Wroclaw, Stettin und Warschau in kleinen Gruppen oft unter dem Schild von Studentenvereinen getroffen. Meistens aber auf Bahnhöfen. Jetzt haben sie und auch über Dörfer und Kleinstädte verstreute Homosexuelle endlich die Chance, Kontakt aufzunehmen, in die Offensive zu gehen.

Noch schlechter steht es allerdings für die polnischen Lesben: sie haben bislang noch keine Öffentlichkeit für sich organisieren können. Nur die im ganzen Land größte und aktivste Homosexuellengruppe „Lambda“ hatte bisher eine Frauensektion. Ansonsten weiß man über die polnischen Freundinnen nichts.

Klaus Bachmann