Mit Gott & Kohl...

■ ...fürs Vaterland / Durch die Geschichte des erwachenden teutonischen Selbstwertgefühls - und seiner Probleme

Berlin (taz) - Gott kennt hier keine Parteien mehr, er kennt nur noch Deutsche. Auch Bundeskanzler Helmut Kohl bemüht jetzt klerikal-monarchistisches Gerümpel, um das weltweit vernehmbare Wie-se-tschermen-piepel-Gefühl anzufachen. Und zwar nachdem der Thüringer Christdemokrat Martin Kirchner auf dem kleinen CDU-Parteitag in Berlin sein „Gott schütze unser deut sches Vaterland“ ausgerufen hatte.

Der Allmächtige als teutscher Bannerträger. Macht das bange? Da die Linken ja nun sowieso nichts mehr zu verlieren haben als ihre Vergangenheit, sei ein Blick zurück gestattet: Für Gott und Vaterland ließ es sich schon bei Dichter Theodor Körner gut sterben, zur Zeit der Befreiungskriege um das Jahr 1812 bescherte dies die Fahrkarte ins jenseitige Paradies.

Auch die gottesfürchtigen Protestanten Preußens standen unter dem Eindruck dieser Wortkombination: Friedrich Wilhelm III. erließ 1913 eine Verordnung über die Organisation der Landwehr; fortan prangte an den Mützen der Schützen: „Mit Gott für König und Vaterland“.

Diese Verbindung beider Begriffe war auch im „1. Weltkrieg virulent“, wie es ein Berliner Historiker gegenüber der taz ausdrückte. Was da geschah, naja...

Inzwischen geben sich wieder andere gestreift, wer die 'Bild‘ von gestern in der Hand hatte, weiß, wer gemeint ist. Zugegeben, die widerlich dumpf-genialische Emotionsmache des Blattes („Sie küßten die Freiheit“) - seit Monaten rot und schwarz und gelb geflaggt - kann einsame Rufer in der nationalen Wüste schon neidisch machen. Würden uns doch auch so viele lesen, die vom teutonischen Bazillus den großen Husten kriegen. Hörrrchhschrrhh. Aber Gott kuriert ja nicht, er segnet. Am liebsten wohl Vaterlandsbewohner namens Helmut.

Thomas Worm