Freispruch zweiter Klasse für die taz

■ Verfahren gegen vierzehn tazlerInnen wurde eingestellt / Protestaktion gegen Zeitungsbespitzelung blieb straffrei

Berlin (taz) - Am Ende obsiegte die Gerechtigkeit, und vierzehn taz-MitarbeiterInnen verließen erhobenen Hauptes den Gerichtssaal. Der zweite Tag im Prozeß wegen Hausfriedensbruchs hatte Staatsanwalt und Amtsgericht zum Einlenken gezwungen. Aufgrund der dünnen Beweislage wurde das Verfahren vorzeitig beendet und eingestellt. Die Kosten trägt die Staatskasse.

Zuvor hatten drei Zeugen vom Ordnungsdienst im Rathaus Schöneberg und der Polizei die zum Hausfriedensbruch erklärte Protestaktion der tazlerInnen im Regierungsgebäude detailliert beschrieben: Eine Gruppe von rund 30 Personen habe sich im Vorraum des Sitzungssaales mit Endlospapierrollen niedergelassen und eine Redaktionskonferenz abgehalten. Sprechchöre seien skandiert und der hinter verschlossenen Türen tagende Innenausschuß mit dem für den Verfassungsschutz verantwortlichen Exsenator Kewenig sei deutlich vernehmbar gestört worden. Kewenig solle rauskommen und Rede und Antwort stehen, hätten die gegen die Bespitzelung ihrer Zeitung Protestierenden gefordert, doch der Senator „wollte davon nichts wissen, wie es so seine Art ist“, bezeugte der Leiter des Ordnungsdienstes.

Worum ging es den „Störern“? Sie hätten gegen die angebliche Verwanzung der taz durch den Verfassungsschutz protestiert, berichteten die Zeugen. Der politische Hintergrund dieser Protestaktion - daß nämlich die „angebliche“ Bespitzelung der taz eine tatsächliche war

-spielte in dem Prozeß nur eine Nebenrolle. Primär ging es um die Beweislage beim vermeintlichen Hausfriedensbruch, und die war löchrig. Nach Angaben der Zeugen herrschte nämlich ein „allgemeines Kommen und Gehen“ am Ort des ruchlosen Geschehens. Pressevertreter, die in großer Zahl erschienen waren, drängten sich vor und mischten sich unter die „Störer“, und es war, wie der Polizeieinsatzleiter einräumte, mal wieder schwierig, „die weißen von den schwarzen Schafen zu trennen“. Dennoch wurden schließlich 14 Personen weggetragen und „zugeführt“. Ob bei dieser Räumung nicht der eine oder andere unschuldige Pressemensch gleich miteingesackt wurde, konnten die Zeugen nicht ganz ausschließen. Da aber fast alle „Zugeführten“ mit ihren Presseausweisen gewedelt hatten und vor Gericht keiner der Angeklagten von den Zeugen als „Störer“ identifiziert werden konnte, ging dem Staatsanwalt die Puste aus. Er bat um Auszeit und schlug dann vor, das Verfahren „anderweitig“ zu beenden. Die Angeklagten stimmten zu und warfen ihre vorbereiteten Prozeßerklärungen in den Papierkorb.

Manfred Kriener