Der Kurs für die DDR-Mark explodiert

■ Westberliner Wechselstuben zahlten zeitweilig Rekordwert von 1:5,88 / Auch bei 1:3 ist die DDR noch spottbillig / Wirtschaftskommission veröffentlichte Terminplan / DDR-Industrieproduktion fiel mit der Flucht- und Reisewelle um 2,5 Prozent / Massenbestellung von Haushaltsgeräten - dennoch: DDR-BürgerInnen sparen weiter

Berlin (taz/dpa) - Die Ankündigung aus Dresden, daß Westdeutsche und WestberlinerInnen vom Neujahrstag an in der DDR offiziell 1:3 tauschen dürfen, hat den Wert der Ostmark innerhalb von 24 Stunden um fast die Hälfte erhöht. Vor der Bekanntgabe hatten 100 DDR-Mark noch 12,50 DM gebracht, am Mittwoch morgen eröffneten die Westberliner Wechselstuben rund um den Bahnhof Zoo - in denen die Kurse faktisch „gemacht“ werden - bereits mit bis zu 15 DM, und mittags war der Kurs bei 17 DM angekommen. Am Nachmittag war das Angebot von DDR-Mark aber so stark, daß der Kurs wieder auf 15,50 DM fiel. Für eine D-Mark waren also mittags 5,88 DDR-Mark, nachmittags 6,45 DDR-M zu bezahlen. Noch am Vortag hatte das DM/M-Ankaufsverhältnis bei 1:8 gelegen.

Mit einem weiteren Anstieg der Nachfrage ist zu rechnen, denn warum sollten die vielen künftigen BesucherInnen aus der BRD und West-Berlin in der DDR 1:3 tauschen, wenn es die kleinen Scheine mit den Porträts von Goethe oder Müntzer ganz regulär am Schalter einer Bank oder eines Geldwechslers auch billiger gibt? Der Schwarzmarkt braucht dann gar nicht in Anspruch genommen zu werden - das einzige Problem ist, das Geld unbemerkt durch den DDR-Zoll zu bringen. Die Folge: die in der Vergangenheit extrem unterbewertete DDR-Mark ist zum ersten Mal auf dem Weg, ihren halbwegs angemessenen Kurs von 1:4,4 zu erreichen. Diejenigen, die sich nicht an der desolaten Verfassung der DDR bereichern wollen, kommen beim offiziellen Kurs von 1:3 immer noch gut weg: Benzin (Ost) kostet dann die Hälfte des Preises für Benzin (West), und ein Glas Bier ist für umgerechnet 30 D-Pfennig zu haben.

Derweil hat die beim Kohl-Besuch in Dresden offiziell gegründete deutsch-deutsche Wirtschaftskommission ihren Terminplan bekanntgegeben. Das ersten Treffen zwischen Bundeswirtschaftsminister Haussmann und dem DDR -Außenhandelsminister Beil soll in der zweiten Januarhälfte stattinden. Den ganzen Monat über werden außerdem Wirtschaftsdelegationen in beide Richtungen die Grenzen überqueren. Eine Fachgruppe Tourismus hat ihre Arbeit schon aufgenommen. Auf der Leipziger Frühjahrsmesse im März wird dann die Hölle los sein - Haussmann kündigte ein „absolutes Rekordangebot“ bundesdeutscher Konzerne an.

Zugleich meldeten DDR-Zeitungen gestern die Auswirkungen der Flucht- und Reisewelle für den Monat November: Die Industrieproduktion fiel gegenüber dem Vorjahresmonat um 2,5 Prozent, die Zahl der Industriebeschäftigten war um 53.800 oder zwei Prozent geringer. Die Rückstände in der Produktion erhöhten sich auf 2,9 Milliarden DDR-Mark, was fast zwei Arbeitstagen entspricht. Im Bauwesen, wo 15.000 Beschäftigte oder drei Prozent weniger als vor einem Jahr tätig waren, lag die Produktion um 8,3 Prozent niedriger.

Für 117 der 167 Industriewarenpositionen des zentralen Versorgungsplanes waren Ende November die Verträge mit dem Binnenhandel nicht erfüllt, so etwa für Kleidung oder Möbel. Einen Kaufboom gab es bei Farbfernsehern, Tiefkühltruhen und Waschmaschinen - die Flucht in die Sachwerte hat begonnen. Von den Spareinlagen wurden 900 Millionen DDR-Mark abgehoben, dennoch wuchsen sie seit Januar um 3,6 Milliarden DDR-Mark.

diba