Geschichte einer angekündigten Intervention

Als Noriega sich letzten Freitag zum Regierungschef - eine in der Verfassung nicht vorgesehenen Funktion - ernennen und das Kriegsrecht verhängen ließ, warnte er einmal mehr vor der drohenden Intervention von US-Truppen. Möglicherweise hat er den Befehl zum Einmarsch mit seiner trotzigen Gebärde sogar ausgelöst. In den letzten Tagen haben sich jedenfalls Ereignisse gehäuft, die im Rückblick als Anzeichen des bevorstehenden Einmarsches gedeutet werden müssen. Nun erklärt sich auch die relative Zurückhaltung, mit der Washington auf den Tod eines US-Offiziers am vergangenen Samstag reagiert hatte.

Nach der Darstellung des Südkommandos der US-Streitkräfte hatten sich vier Offiziere in Zivilkleidung und unbewaffnet nachts in der Straße geirrt und waren dabei auf den Wachposten der Zentralkaserne gestoßen. Diese Version erklärt nicht, wie es auf der anderen Seite zu Verletzten gekommen ist, noch wird erwähnt, was die Soldaten überhaupt in dieser Gegend zu suchen hatten. Denn seit Monaten herrscht für die US-Truppen Alarmzustand „Charlie“, das heißt die Truppen haben ab 22 Uhr in ihren Quartieren zu sein. Überhaupt galt die Anweisung an Militärpersonal, die als gefährlich eingestufte Innenstadt zu meiden.

Außenminister Leonardo Kam erklärte, die Wachposten seien aus einem fahrenden Auto angeschossen worden und hätten das Feuer erwidert. Ein panamaischer Soldat, ein Kleinkind und ein Zivilist wurden verletzt. Vergangenen Montag schoß ein US-Offizier einen panamaischen Korporal in einer Münzwäscherei an, weil er sich angeblich bedroht fühlte. Seit dem Wahlbetrug vom vergangenen Mai ließen die US -Truppen in Panama nichts unversucht, um eine Atmosphäre der Hysterie zu schaffen, die einen Umsturz begünstigen sollte. Immer wieder rückten Panzerkolonnen aus, sperrten Straßen ab oder umstellten öffentliche Gebäude. US-Militärs errichteten Kontrollposten außerhalb ihrer Sperrgebiete, und Armeehubschrauber schwirrten immer wieder im Tiefflug über Wohngebiete.

Panama ist seit 1986 Ziel immer schärferer Sanktionen und Isolationsversuche durch die USA, die den starken Mann General Noriega um jeden Preis stürzen wollen. Dabei erklären die Drogenhandelsverbindungen des starken Mannes nur unzureichend, wie der ehemalige Vertrauensmann der CIA und Garant für die Stabilität Panamas über Nacht zum Buhmann der Nation wurde. Denn wenn Washington bei allen hohen Offizieren Lateinamerikas dieselben Maßstäbe anlegte, dann müßte in einigen Ländern der gesamte Generalstab ausgetauscht werden. Noriega selbst behauptet, er hätte sich die Feindschaft des großen Bruders eingehandelt, als er sich weigerte, die US-Politik gegen Nicaragua weiterhin zu unter stützen.

Zuerst bediente sich Washington einer internationalen Pressekampagne und einer Opposition, die als mobilisierungsfähige Kraft erst aufgebaut werden mußte. Dann wurde Noriega im Februar 1988 vor einem Gericht in Florida in Abwesenheit des Drogenhandels angeklagt. Kurz darauf versuchte der Marionettenpräsident Eric Arturo Delvalle den Armeechef abzusetzten, zog aber dabei selbst den kürzeren. Seither verweigerten die USA der Regierung die Anerkennung und stellten alle Zahlungen, die Panama an Steuern und Kanalgebühren zustehen, ein.

Gleichzeitig versuchten die Unternehmer, durch einen Generalstreik die Wirtschaft völlig zu lähmen. Durch die Destabilisierungsversuche der vergangenen Monate ist das einst florierende Finanzzentrum schwer angeschlagen: Ausländisches Kapital wurde rasch in die USA oder in karibische Steuerparadiese transferiert.

Zwei Putschversuche im März 1988 und im letzten Oktober hat Noriega unversehrt überstanden. Vor den Wahlen vom 7. Mai ließ US-Präsident Bush wissen, er würde nur einen Wahlsieg der Opposition anerkennen. Als die Stimmenauszählung tatsächlich die Niederlage der noriegatreuen Koalition verhieß, ließ der General das Resultat annullieren.

Nach der jüngsten Militärrevolte vom 3. Oktober häuften sich in den USA die Stimmen, die offen Mordanschläge gegen den Diktator forderten. Im Kongreß in Washington wuchs die Gruppe der Abgeordneten, die die Torrijos-Carter-Verträge brechen wollen, die Panama ab dem Jahr 2000 die totale Kontrolle über den Kanal und die dort stationierten Militärbasen zusichern. Zuletzt hatten die USA mit Wirkung ab 1.Februar 1990 allen Schiffen, die unter der panamaischen Billigflagge segeln, ihre Häfen versperrt.

Seit einigen Monaten wurde auch eine Truppe von „Panama -Contras“ an der Südgrenze Costa Ricas aufgebaut, die sich teilweise auf beschäftigungslose nicaraguani sche Konterrevolutionäre stützte. Deren Stunde ist nun wohl gekommen.

Ralf Leonhard