USA wollen Noriega ausräuchern

■ US-Truppen bombardierten Einrichtungen der panamaischen Streitkräfte und trafen zahlreiche Zivilisten

Mit dem Einmarsch von US-Truppen in Panama ist der Konflikt zwischen den USA und dem mittelamerikanischen Land nun offen zum Ausbruch gekommen. Ziel der Intervention ist laut Washington die Festnahme General Noriegas, den die USA wegen Drogenschmuggels vor Gericht zerren wollen. Zu verlieren haben sie eine Menge: die Kontrolle über die Lebensader des Welthandels - den Kanal.

Die US-Administration hat einen Anlaß gesucht und ihn gefunden: Wenige Tage nach der erneuten Verschärfung der Spannungen zwischen Panama und den USA hat die Regierung in Washington eine militärische Intervention zum Sturz des panamaischen Machthabers General Manuel Antonio Noriega unternommen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ordnete Präsident Bush das Eingreifen der amerikanischen Streitkräfte in Panama sowie die Gefangennahme des panamaischen Armeechefs Noriega an, der in den Vereinigten Staaten wegen Drogenhandels vor Gericht gestellt werden soll.

Gegen ein Uhr nachts rückten Truppenverbände von ihren Stützpunkten in der Kanalzone gegen die Kasernen der panamaischen Streitkräfte vor. Mit schweren Geschützen und unter Einsatz von Militärflugzeugen und Hubschraubern griffen die US-Einheiten das militärische Hauptquartier in Panama-Stadt an und brannten es nieder. Nach ersten Angaben von Ärzten gab es bei den heftigen Kämpfen zwischen US -Truppen und panamaischen Soldaten und Milizen mindestens 50 Tote und zahlreiche Verletzte. Mitglieder der paramilitärischen Einheit Machos de Monte, die Noriega bereits bei dem Putsch vom 1.Oktober unterstützt hatten, nahmen als Antwort auf die US-Intervention im Marriott-Hotel in Panama-Stadt mehrere Geiseln, darunter sechs US -Amerikaner, vier Franzosen sowie eine Anzahl ausländischer Journalisten.

Im Zentrum der Hauptstadt sowie im dichtbevölkerten Vorort San Miguelito fanden nach Augenzeugenberichten Straßenkämpfe statt. Vor dem weitgehend zerstörten Hauptquartier der Streitkräfte lieferten rund 200 panamaische Soldaten den US -Truppen erbitterten Widerstand. Wie viele Tote unter den Trümmern der Bombardements begraben wurden, ist zur Zeit noch unbekannt. Laut Augenzeugen richteten die kämpfe unter der Zivilbevölkerung ein Blutbad an. Viele Häuser in dem umliegenden Wohngebiet El Chorillo fingen Feuer. Alberto Spanziola, Arzt im größten städtischen Krankenhaus von Panama-Stadt San Tomas, berichtete im amerikanischen Fernsehen telefonisch von etwa 50 Toten und Dutzenden Verletzten, vorwiegend Frauen und Kinder.

In Washington sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, mit dem Angriff werde das Ziel verfolgt, General Manuel Antonio Noriega festzunehmen, US-amerikanische Staatsbürger zu schützen und die US-Interessen in der Kanalzone zu wahren. Noriega, Militärmachthaber und seit vergangener Woche auch Regierungschef Panamas mit diktatorischen Vollmachten, wird von den USA seit Jahren vergeblich mit diplomatischen und wirtschaftlichen Mitteln bekämpft. Über das Schicksal Noriegas gab es bis Mittwoch mittag keine gesicherten Informationen.

Noriega auf der Flucht

Gerüchte, wonach Noriega Panama mittlerweile verlassen habe, konnte Fitzwater nicht bestätigen. Nach Telefonberichten von US-Bürgern aus Panama befindet sich Noriega in einem Bunker des Hauptquartiers der Streitkräfte. Anderen Berichten zufolge soll er sich auf der Flucht befinden. Ein panamaischer Militärsprecher sagte im mexikanischen Rundfunk, Noriega sei in Sicherheit und leite den militärischen Widerstand gegen die US-Invasion.

Präsident Bush gestand in einer kurzen Fernsehansprache ein, daß bei der Invasion in Panama neben panamaischen Zivilisten auch US-Soldaten getötet wurden. Auf die Bombardements von Wohngebieten ging er nicht ein. Dies wurde auch von Generalstabschef Collin Powell bestätigt, der von neun getöteten und 39 verletzten US-Soldaten sprach. Die Sowjetunion hat inzwischen die sofortige Einstellung der bewaffneten Intervention der USA in Panama verlangt. „Die Nachricht über den Einmarsch amerikanischer Truppen in das Gebiet des souveränen Staates Panama, wie immer dies auch begründet wird, hat in der Sowjetunion ein Gefühl tiefer Besorgnis hervorgerufen“, meldete am Mittwoch die amtliche Nachrichtenagentur 'Tass‘ unter Berufung auf einen Sprecher des Außenministeriums der UdSSR. Die spanische Regierung hat die US-Intervention „zutiefst bedauert“.

Die britische Premierministerin Margaret Thatcher hat inzwischen ihre volle Unterstützung für den Militäreinsatz in Panama bekundet. George Bush hatte sie als erstes Staatsoberhaupt über die Aktion unterrichtet. Die Labour -Party dagegen kritisierte den Angriff: Grund sei nicht die Wiederherstellung der Demokratie, sondern einzig das US -Interesse am Panamakanal.

Neue Regierung installiert

Ihr erklärtes Hauptziel, die Festnahme Manuel Noriegas, haben die USA bisher verfehlt. Zwar wurde auf einer US -Militärbasis in Costa Rica die neue Regierung Endara, bestehend aus den Siegern der von Noriega annullierten Wahlen vom Mai, vereidigt. Noriega selbst konnte jedoch entkommen. Der Vizepräsident in Noriegas Regierung Aquilino Boyd sagte in einem Telefoninterview mit der amerikanischen Fernsehstation ABC, daß die USA diese Aktion unternommen hätten, um nicht die Kontrolle über die Kanalzone zu verlieren. „Die Amerikaner wollen eine Marionettenregierung installieren, die sie kontrollieren können.“ Er appellierte an die USA, „die militärische und wirtschaftliche Aggression gegen uns einzustellen“.

Militärische Lage unklar

Boyd bekundete, daß die panamaische Bevölkerung nicht wünsche, daß Panama ein weiterer Stern auf der US-Flagge werde. General Edgardo Lopez, Kommandant der panamaischen Truppen, sagte im mexikanischen Fernsehen, Noriega sei vorab über die Militäraktion der USA informiert gewesen und habe sich in Sicherheit bringen können. Zwei Radiostationen brachten bis zum frühen Morgen Pro-Noriega-Parolen und riefen die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Invasoren auf. Die militärische Lage war am Mittwoch nachmittag immer noch undurchsichtig. In Panama-Stadt wurde um das Armeehauptquartier und um einen Flugplatz an der Küste gekämpft. Kämpfe wurden auch aus Colon an der Karibikküste und dem 320 Kilometer westlich der Hauptstadt gelegenen Ort Chiriqui gemeldet, wo sich ein Flugplatz befindet.

Gregor Freund//taz/dpa