Wirtschaftswachstum mit Ungleichgewichten

■ OECD-Prognose zur Weltökonomie 1990/91: Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau

Berlin (dpa/taz) - Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in der 24 westliche Industrieländer zusammengeschlossen sind, hat eine weitere Abschwächung des Wirtschaftswachstums und einen begrenzten Anstieg der Inflationsrate prognostiziert. Der Voraussage zufolge wird das Wachstum des Bruttosozialprodukts von 4,4 im Vorjahr und 3,6 im laufenden Jahr auf 2,9 Prozent in den beiden folgenden Jahren zurückgehen. Die Geldentwertungsrate soll auf durchschnittlich 4,5 Prozent ansteigen.

In der Prognose wird deutlich, daß die Unterschiede der ökonomischen Entwicklung zwischen den Kernländer der OECD weiter zunehmen. So wird erwartet, daß das Wachstum der US -amerikanischen Volkswirtschaft in den nächsten Jahren mit 2,3 Prozent weit unter dem OECD-Durchschnitt liegen wird. Demgegenüber wird Japan seine Spitzenstellung mit 4,4 Prozent behalten können. Der zeitlich längste Expansionsprozeß der Nachkriegsgeschichte wird allerdings das nach wie vor drängende Problem der Massenarbeitslosigkeit nicht lösen können. Bis zum Jahr 1991 soll die Arbeitslosenquote bei 6,6 Prozent bleiben. Ausreißer sind die Bundesrepublik und Japan: Während in der BRD die Erwerbslosenquote trotz günstiger Wachstumsprognosen bei 7,2 Prozent verbleibt, soll Japan sein Niedrigniveau von 2,3 Prozent auch in Zukunft beibehalten.

Die unterschiedlichen ökonomischen Entwicklungspfade der OECD-Länder schlagen sich am sichtbarsten in den Zahlungsbilanzen nieder. Während Japan und die Bundesrepublik ihre Überschüsse in den Leistungsbilanzen bis 1991 auf 69 beziehungsweise 76 Milliarden US-Dollar ausweiten können, werden die USA wieder einen Anstieg ihres Defizits auf 124 Milliarden US-Dollar zu verzeichnen haben. Weil auch andere OECD-Länder in den nächsten Jahren mit steigenden Defiziten zu rechnen haben, wird die internationale Kreditnachfrage sich weiter auf einem hohen Niveau bewegen. Ein Anstieg des internationalen Zinsniveaus ist unter diesen Umständen durchaus möglich.

Die von der OECD prognostizierten düsteren Aussichten für die Gruppe der Entwicklungsländer (ohne Opec), deren Leistungsbilanz sich von einem Überschuß in Höhe von 4,5 Milliarden im Jahr 1988 in ein Defizit von 12,6 Milliarden US-Dollar verkehren soll, dürften sich dann noch weiter verschlechtern. Sie werden noch in geringerem Maße als heute in der Lage sein, ihre Schuldendienstverpflichtungen einzuhalten. Dies gilt um so mehr, als die privaten westlichen Banken seit geraumer Zeit immer weniger Bereitschaft zeigen, Neukredite an die hochverschuldeten Länder der Dritten Welt zu vergeben. Mit der Öffnung Osteuropas gegenüber dem kapitalistischen Westen dürfte dieser Trend weiter anhalten. So spricht die OECD von neuen Dimensionen für wirtschaftliche Kooperationen mit den RGW -Ländern, die beträchtliche Gewinnaussichten für die Weltwirtschaft insgesamt eröffneten. Dies dürfte nicht zuletzt für die privaten Banken gelten, deren Engagement gefordert ist, wenn die (marktwirtschaftliche) Umstrukturierung dieser Ökonomien in Gang gesetzt werden soll. Nach Ansicht der OECD-Experten soll es dabei vor allem um eine exportorientierte Reindustrialisierung gehen, weil die bisherigen Handelsüberschüsse des RGW-Blocks nicht ausreichen, um die Schuldendienstverpflichtungen aus der bisherigen Westverschuldung von 111 Milliarden US-Dollar leisten zu können.

Zausel