Hongkong: Pässe nach Punktsystem

225.000 ausgewählten Personen bietet Großbritannien britische Pässe an, um sie zum Ausharren zu bewegen  ■  Aus Hongkong Jutta Lietsch

225.000 Bewohner Hongkongs sollen nach einem ausgeklügelten Punktesystem britische Pässe erhalten. Mit dieser Maßnahme, die Außenminister Hurd am Mittwoch bekanntgab, sollen die Betroffenen dazu gebracht werden, bis zur Übergabe Hongkongs 1997 an China zu bleiben. Von den über 6 Millionen Hongkongern haben 3,25 Millionen einen Paß, der sie als Einwohner der Kronkolonie ausweist. Er berechtigt jedoch nicht zur Niederlassung im „Noch-Mutterland“.

Ungeachtet der Beteuerungen Londons und Pekings, das kapitalistische System und die Eigenständigkeit des Territoriums im gemeinsamen wirtschaftlichen Interesse zu garantieren, nimmt die Zahl der Emigranten zu. In diesem Jahr haben bereits 42.000 Hongkong verlassen. Für 1990 wird erwartet, daß es 55.000 werden. Ziele sind die USA, Kanada und Australien. Mit Auswanderungsberatungsfirmen ist hier ein neuer Wirtschaftszweig entstanden. Laut Umfragen wollen die meisten der Hongkonger Rechtsanwälte und bis zu 80 Prozent der Buchhalter bis 1997 emigrieren.

In den kommenden Monaten will die Hongkonger Administration durch ein „Punktesystem“ die wichtigsten Hongkonger aus Wirtschaft, Verwaltung, Polizei, freien und technischen Berufen herausfiltern. „Die entscheidenden Kriterien werden der Wert des Beitrags sein, der individuell für Hongkong geleistet wird, und das Ausmaß, in dem Leute ihrer Berufskategorie auswandern“, so Hurd.

Für die Mehrheit der Hongkonger Bevölkerung ist die Debatte um die Zahl der britischen Pässe irrelevant. Auch der Zynismus der Argumentation kommt nicht unerwartet. Für die Zukunft der Hongkonger bedeutsamer sind jedoch die Entscheidungen, die in diesen Tagen in China gefällt werden. Der mit dem Entwurf eines Basic Law (Grundgesetz) für Hongkong für die Zeit nach 1997 befaßte Ausschuß hatte eine neue Klausel aufgenommen, die „subversive“ Aktivitäten gegenüber der Pekinger Regierung verhindern soll. Ein Vertreter der für Hongkong zuständigen Abteilug des Staatsrats, Li Hou, nannte auch gleich Organisationen, die unter diese Klausel fallen sollen. Dazu gehört auch eine Hongkong Alliance in Support of the Patriotic Democratic Movements in China, eine Sammelbewegung von Gruppen, die sich nach dem 4.Juni zusammengefunden hat. Sie arbeitet für eine Entwicklung demokratischer Strukturen in Hongkong und China. Li Hou machte klar, daß diese Gruppen auch schon vor 1997 in Hongkong unerwünscht seien.