Die KP der CSSR wählt Reformer an die Spitze

■ Karel Urbanek nach Selbstkritik als Generalsekretär abgelöst / Ex-Ministerpräsident Adamec wird Parteivorsitzender, Erster Sekretär wird der Jungreformer Mahorito / KPC entschuldigt sich beim Volk / Im Januar beginnen Verhandlungen über den Abzug der Sowjettruppen

Prag (ap) - Vom Nachbarn lernen: Wie Egon Krenz in der DDR erging es jetzt Karel Urbanek in der CSSR. Er wurde als Generalsekretär der KP nur wenige Wochen nach seiner Wahl wieder abgelöst. Der außerordentliche Parteitag der KPC hat zudem ebenso wie der Sonderparteitag der SED das Amt des Generalsekretärs völlig abgeschafft. Die Delegierten wählten den ehemaligen Ministerpräsidenten Ladislav Adamec zum Vorsitzenden und den früheren Jugendverbandsvorsitzenden Vasil Mohorita zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees.

Am Donnerstag beschloß der Parteitag die Auflösung der kürzlich schon entwaffneten paramilitärischen Kampfgruppen. Außerdem standen die Wahl eines neuen Zentralkomitees sowie die Annahme eines neuen Aktionsprogramms auf der Tagesordnung. Die Auflösung oder Umbenennung der Partei war von den Delegierten am Mittwoch mehrheitlich abgelehnt worden. Für die Politik der früheren Parteiführung seit 1968 hat sich der Parteitag beim tschechoslowakischen Volk in aller Form entschuldigt. Urbanek hatte Selbstkritik dafür geübt, daß er nach Übernahme des höchsten Parteiamtes nicht konsequent genug die personelle Erneuerung in der Parteiführung betrieben habe.

Gemäß einer vom Parteitag beschlossenen Statutenänderung repräsentiert künftig der Vorsitzende die Partei nach außen und ist für Verhandlungen und Gespräche mit anderen Parteien zuständig. Der Erste Sekretär ist zuständig für Parteiinternes. In geheimer Wahl unter sieben Kandidaten erhielt Adamec 59,2 Prozent der Delegiertenstimmen. Für Mohorita, der einer von zehn Bewerbern war, stimmten 57,7 Prozent der 1.500 Delegierten. Adamec hatte den Dialog mit der Opposition eröffnet, und Mohorita gehörte zu den Mitorganisatoren der Studentenproteste, mit denen die Umwälzung in der CSSR begannen.

Einer der führenden Reformer von 1968, der damalige Ministerpräsident Cernik, sagte in einem von der Jugendzeitung 'Mlada Fronta‘ veröffentlichten Interview, es wäre falsch, zu früh in Begeisterung auszubrechen, denn noch sei „das totalitäre System nicht völlig liquidiert“.

Ministerpräsident Calfa und Außenminister Jiri Dienstbier sind am Mittwoch aus der UdSSR zurückgekehrt. Sie hatten in Gesprächen mit Präsident Michail Gorbatschow, Ministerpräsident Nikolai Ryschkow und Außenminister Eduard Schewardnadse beschlossen, in der ersten Hälfte des kommenden Jahres Verhandlungen über die seit 1968 in der CSSR stationierten sowjetischen Truppen aufzunehmen. Die Frage ihres Abzuges soll von einer gemeinsamen Kommission geprüft werden, die ihre Arbeit im Januar aufnimmt. Dienstbier hatte kürzlich erklärt, er rechne in absehbarer Zeit mit dem Rückzug der Soldaten. Die Vereinbarungen über die Stationierung der Truppen seien ungültig, weil sie unter Druck zustande gekommen seien. Calfa sagte, er habe Moskau mit dem Gefühl verlassen, daß es in dieser Frage „großes Verständnis“ gegeben habe.