Land des Lachens

■ Kulturetage Oldenburg: „Als wär's ein anderes Leben“

Es war schwer. Das fing schon beim Versuch an, ein Eintrittsbillet zu erstehen. Eine Röntgenreihenuntersuchung vermuteten Uneingeweihte ob der skurilen Prozedur vor der vollautomatischen Kassenschleuse. Wunderland der Technik, die Akteure verschwanden getrost hinter den Kulissen. Die Kulturetage Oldenburg, mittlerweile im Ruf, ihre eigenen Inszenierungen in ein treffliches Gesamtkunstwerk einzubetten, sparte auch bei ihrem neuen Werk nicht an Mitteln und Ideen. „Als wär's ein anderes Leben“ wird aber nicht, wie die vorangegangenen Teile der Trilogie, von einer museal angehauchten Wiederbe

gegnung mit Klischees des damaligen Zeitgefühls begleitet. Technisch vermittelte Vielfalt ohne jede Orientierung sieben Video-Götzen in der Endloszeit erinnerten an ferne Zeiten der sieben freien Künste und hinterließen Ratlosigkeit. Gewollt und gut gemacht.

„Als wär's ein anderes Leben“ erzählt die Geschichte der 70er und 80er Jahre. Wir erleben Erika, die ihren vierzigsten Geburtstag feiert. Sich feiern läßt von alten Freunden, die im Glücksgefühl des neuen Hedonismus allen Grund zum Lachen finden. Schenkelklopfend ausgelassen toben ihre fünf Gäste durch die gesammelten Lebensweisheiten der früh Geläuterten. „Die Erinnerung besteht doch nur aus endlosen Schmerzen“, hihihi - „das Entscheidende ist doch, glücklich zu sein“, hahaha - „wir hatten Prinzipien, wir haben getan, was wir konnten“. In der Wiederholung der fmelhaften Glücks-Phrasen offenbaren sich die Dissonanzen und Mißtöne des Chors.

Die Parabel vom Lachen und Vergessen erlebt hier eine Neuauflage. Regisseur Norberto Presta hat mit diesem Kunstgriff versucht, die fehlende Distanz des Ensembles zu den 70er und 80er Jahren zu umspielen. Die Brüche in den eigenen Biographien sollten sich nicht in den Charakteren auf der Bühne wiederfinden, sondern über Material von außen eingespielt werden. Die letzte Rede Salvador Allendes, Traktate von und über die RAF, gesprayte Erinnerungen an die Hochzeiten der sozialen Bewegung - es hinterließ wenig Eindruck, weil es im Spiel nicht aufgenommen wurde. Selbst in der Figur der Erika, der bei soviel Freude bald das Lachen vergeht, führen die Zweifel nicht zu aufmüpfigen Fragen. Lange Zeit wirkt sie wie sediert, ist nur stumme Dulderin des ewigen Freudentaumels. Dann, zur Erlösung aller, bricht wenigstens die eine Frage aus ihr heraus: „Aber wie, aber wie denn glücklich werden?“

Schwer ist das Stück für das Publikum, zu lachen haben die wenig. Zu sehen dafür umso mehr. Einige bemerkenswerte choreografische Einfälle, ausgefallene Bühnenbilder versöhnen mit manchen Längen, die das „andere Leben“ hat. Es ist eben so angelegt wie die Video-Götzen im Vorspiel: als Endlosspule, bei dem sich Anfang und Ende in trauter Eintracht die Hände reichen. Zur Verwunderung der ZuschauerInnen.

Andreas Hoetzel