Heimtier und Weihnacht

Kennen Sie dieses Gedicht?

In den Augen meines Hundes

liegt mein ganzes Glück

all mein Inn'res, Krankes, Wundes

heilt in seinem Blick

Kennen Sie nicht? Sie haben eine mongolische Wüstenrennmaus? Macht nichts! Hund ist nicht zwingend vorgeschrieben. Obwohl: In den Augen meiner Wüstenrennmaus

liegt mein ganzes Glück

vielleicht etwas holprig klingt. Ist aber noch nicht gefährlich. Wie bei einer Heim-Boa, wo „Reim dich oder ich freß dich“ schnell blutige Gewißheit werden kann.

Egal, der kleine Vierzeiler wirft die Frage auf: Geben wir, bei all dem Glück, das wir von unseren haarigen, schuppigen, fiederigen kleinen Freunden empfangen, auch Glück zurück und das Gefühl, gebraucht zu werden? Gerade jetzt zur Weihnachtszeit!?

Kurzum: Haben Sie sich eigentlich schon überlegt, wie Sie ihren Liebling in's Festgeschehen integrieren? Und wie sieht es mit der Bescherung aus? (Sie gehören doch nicht zu jenen Vermummten, die durch anonyme Supermärkte schleichen und die Kinder der Dritten Welt vor Augen - eine Katzilade im Einkaufswagen verscharren?) Nun, viele HalterInnen wissen ja nur nicht, was sie tun sollen. All jenen wollen wir heute einige Festtips mitgeben. Beginnen wir mit Ihrer Katze: Überlassen Sie ihr die Weihnachtstanne! Wie soll das arme Tier verstehen, daß der neue Kratzbaum einen Christbaum darstellt? Der ungenießbare Baumbehang läßt sich doch mühelos entfernen! Sollte das Interesse des Tierchens nach der Plünderung rapide sinken - bauen Sie den Baum ganz ab! Er steht sowieso an dem einzigen Plätzchen, das Ihre Katze wirklich braucht. Eine neue Echtfellrobbe, benetzt mit etwas Spielspray als Interesseverstärker, mag das verstörte Tier beruhigen.

Wie vermeiden wir nun bei unseren übrigen Zwei- bis Sechsbeinern das Gefühl, sie seien ferner liefen? Fördern Sie doch Hamster Hansis Versteck-Talent mit einem Part als Hirtenschaf hinter der Krippe! Und mit etwas Überzeugungs -JodS11 gibt Heinzi, der Kanare, die Eule im Krippengebälk. Da wollen auch Strumpfbandnatter, Vogelspinne und Maskenleguan nicht zurückstehen. Probieren Sie den Ereignisbaum: Dazu verteilt man seine Lieben gleichmäßig auf die Zweige und läßt sie in freier Choreographie erstarren. Bei Gift- und Würgeschlangen empfehlen Tierhändler, vorher zu füttern: Eine Gabe Kaninchen etwa, mit einem Sortiment Nacktmäuse abgeschmeckt. Und während der Baum lebt, versieht ihre Schmuckschildkröte gewissenhaft die Aufgabe als wandernder Kerzenleuchter. So wird das gute Tier auch erst nach Weihnachten zertreten.

Bleibt die Frage: Wie beteiligen wir chronisch unmotivierte Mitbewohner wie Molche, Echsen, Zierfische und Seegurken? Hier sind die Heimwerker in die Pflicht genommen! Einfach herzustellende Laubsägebäumchen schmückt mann mit schmackhaften Kleintieren und installiert sie in Aqua-oder Terrarium. Ein Spaß für die ganze Familie, wie Gekki, der Gekko seinen eigenen Fliegenbaum plündert. Für die Eidechsen gibt's zu den 50 Grillen eine Extraportion Zikade als Christbaumspitze. Vermeiden Sie Behang in Dosen! Tiere sind sensibel und haben kein Verständnis für derbe Komik.

Vielleicht gewinnen Sie schließlich noch Ihren Hund als Weihnachtsmann. Glücklich, wer jetzt einen weißen Pudel hat. Hier genügt ein rotes Cape-Mützen-Ensemble. Für andere Rassen leistet ein Flokati als Grundausstattung gute Dienste. Bescheren Sie ihm selbst einen Geschenknapf mit Müsliknochen im Büffelhautmantel auf dem Schweinsohrbett. Natürlich beschränken sich diese Integrations-Vorschläge nicht nur auf Weihnachten. Mit einem Satz heißer Ohren läßt sich jedes gutwillige Tier prinzipiell auf Osterhase umsatteln.

Derartig von tierischen Schuldgefühlen befreit, könnte die Vielseitigkeit unserer artigen Genossen eines Tages - über die Festtage hinaus - von großem erdgeschichtlichem Nutzen sein. Dann nämlich, wenn das rätselhafte Verschwinden von Echttieren aus der Natur weiter anhält.

Claudia Kohlhase