Sechstes Exil-Treffen tamilischer Autoren

■ Tamilische Autoren treffen sich in Berlin / Erstmals europaweites Literatentreffen tamilischer Flüchtlinge

„Ohne Zweifel: Die Existenz der emigrierten deutschen Schriftsteller und ihrer Verlage ist ein fortwährender Kampf. Er wird noch viele Opfer kosten. Aber sie können das Bewußtsein dieses barbarischen Zustandes vertiefen und wachhalten“ - Zeilen aus der Literaturzeitschrift 'Das Wort‘ 1937.

Die Schrift war eine von vielen, die in den dreißiger Jahren von deutschen Schriftstellern im Exil herausgegeben wurde: Bert Brecht (in Dänemark), Lion Feuchtwanger (in Frankreich), Willi Bredel (in der UdSSR).

Mehr als 50.000 deutsche Schriftsteller, Wissenschaftler, Journalisten, Musiker und Künstler waren damals geflohen, während ihre Werke in Deutschland öffentlich verbrannt wurden. Viele blieben Ausgegrenzte, Fremde, auch nachdem sie zurückgekehrt waren. Die Erfahrungen deutscher Schriftsteller im Exil scheinen vergessen.

Die Bedingungen, unter denen tamilische Autoren heute im deutschen Exil leben, unterscheiden sich kaum von denen deutscher Exilanten damals: materielle Not, Kasernierung, unsicherer Aufenthaltsstatus, Sprachschwierigkeiten, Isolierung, mangelnde Möglichkeiten zur Veröffentlichung ihrer Arbeiten - schließlich Desinteresse und Unverständnis im Gastland.

Wenn sich an diesem Wochenende in Berlin tamilische Literaten (erstmals aus ganz Europa) treffen, um sich über die Möglichkeiten im Exil zu beraten, so werden einige Autoren nicht dabei sein. Einem bekannten tamilischen Literaturkritiker und Hochschulprofessor, der als Referant geladen war, verbot das Innenministerium in Rheinland-Pfalz, seinen Aufenthaltsort zu verlassen. Ebenso erging es allen tamilischen Schriftstellern aus Baden-Württemberg. Die Länder berufen sich auf ein Programm der Bundesregierung, das eine „freiwillige Rückkehr“ der Tamilen nach Sri Lanka vorsieht. Zynisch - angesichts der Tatsache, daß niemand „freiwillig“ in ein Land des Terrors zurückkehren kann, aus dem er unter großen Mühen geflohen ist. Um die Tamilen, deren Asylgesuch praktisch immer abgelehnt wurde, zur „freiwilligen Rückkehr“ zu bewegen, müsse man ihre Bewegungsfreiheit in der BRD einschränken, erklärte ein Beamter der Ausländerpolizei. Rechtliche Handhabe sei das Asylverfahrengesetz.

Bei dem sechsten tamilischen Literatentreffen werden daher viele Autoren fehlen. Dennoch rechnen die Veranstalter mit rund 160 Teilnehmern am Wochenende, nicht nur aus der BRD, sondern aus Schweden, Norwegen, Dänemark, England, Frankreich, der Schweiz und Holland.

Wie bei den vergangenen Treffen in Herne, Neuss, Stuttgart und Frankfurt steht das Gespräch über die Schwierigkeiten im Exil an erster Stelle. Diese sind zunächst ganz praktischer Art: So gab es über Jahre nur wenige tamilische Schreibmaschinen in der BRD, so daß Texte, Bücher und Zeitschriften mit der Hand geschrieben weren mußten. Inzwischen ist dieses Problem überwunden: Für die mehr als 200 Buchstaben ihres Alphabets haben die Tamilen Computerprogramme entwickelt.

Während des Berliner Treffens werden die Schriftsteller nicht nur über die Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka, über frauenspezifische Probleme des Exils diskutieren, sondern auch über Probleme bei der Übersetzung deutscher Literatur ins Tamilische. Franz-Helmut Richte