ZOMBIES UNTERM WEIHNACHTSBAUM

■ Drei Zombie-Prototypen & ihre Realität in der BRD der Achtziger Jahre

Der lebende Tote. Während der südamerikanischen Voodoo -Rituale flößt der Hexenmeister einem Opfer Gift ein, das dieses in einen todesähnlichen Zustand versetzt. Für die Gemeinschaft ist das Opfer tot, Grabsteine werden aufgestellt, etc., allein, der Hexenmeister verbringt den „Toten“ auf seine Plantage, wo er ihn wiedererweckt: Das ist ein Zombie. Der arbeitet nun im Zwielicht des Sozialen, bis sein Fleisch zerfällt.

Was den Zombie also als solchen definiert, ist sein Ausscheiden aus den Diskursen des Sozialen, des ökonomischen Warentauschs & der Selbstartikulation. Er ist der Andere. Wo finden wir den lebenden Toten heute ?

Ein Blick nach Südamerika hilft, ihn auch in der BRD zu identifizieren. Der lebende Tote, der nicht mehr für die Öffentlichkeit existiert: der Slumbewohner, der Bewohner einer leeren & letzten Welt, unfähig zur Selbstartikulation aufgrund eines allgemeinen Tabus innerhalb der Wahrnehmung („das gibt es nicht“), dessen Leiblichkeit dennoch bis zum äußersten ausgebeutet wird: die wandelnde Organbank, deren ökonomische Liquidierung in Kapital (nicht in Warentausch) aufgeht. Die Kinder des Mülls, die innerhalb einer Region des Vergessenen, von der sozialökonomischen Peristaltik ausgeschieden, ihre Existenz fristen. Der Verschwundene, der ohnehin außerhalb hauste, verschwindet plötzlich vollends. Todesschwadronen & Polizei entsorgen den lebenden Toten total, führen die Endlagerung in der absoluten Zone des Ungewissen & des Zwielichts durch. Gelegentlich erscheint der Verschwundene noch einmal: in Aufrufen, auf Flugblättern, in Snuff-Filmen. Doch ist diese Erscheinung weitgehend von der Existenz des Zombies abgekoppelt.

Der lebende Tote in der BRD: der Sozialhilfeempfänger, der ein Selbst im Tausch der Waren & Zeichen nicht mehr behaupten kann, der in Zeithaft genommen wird & am Rande inmitten von Sperrmüll, Wohngeld & Sozialwohnung haust. Vollkommen entpersönlicht, jederzeit ersetzbar. Er existiert im Niemandsland der Ziffern, unfähig zur Kommunikation außerhalb seines Ghettos. Wie der Hexenmeister den Zombie erst aus der Ordnung heraustrennt, um ihn dann - die Ordnung des Sozialen, der Herrschaft & der Waren bestätigend - zu benutzen, so verfügt auch die Sozialgemeinschaft über den Leib des Anderen, schließt ihn aus, um ihn dann aus der Grauzone der Zombies heraus zur Legitimation heranzuziehen: Der Sozialhilfeempfänger erleidet die Gabe, man nimmt ihm die Möglichkeit zur Selbstverantwortung, verschiebt ihn als Zeichen hin & her & der Herr sprach: „Siehe, es ist gut.“

Deutlichere Zombies: der Obdachlose, der Junkie, der Baby -Stricher. Sie alle sind glatt durchs soziale Netz gerasselt, existieren nicht einmal mehr als flottierendes Zeichen innerhalb einer ungeheuren Verwaltungs-Verdauung (keine Arbeit - keine Wohnung - keine Anmeldung - keine Existenz). Die Verschwundenen vegetieren wie parasitäre Pilze am Rande der Ordnung. Allein, der Körper, letztes Bollwerk der Existenz, wird endlich in die Resteverwertung des Marktes eingespeist: In der Grauzone der lebenden Toten gedeihen die Freihandelszonen des Fleisches. Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, die Heilsarmee usw. versuchen zwar die Zombies zu enttabuisieren & beispielsweise anläßlich des Weihnachtsfestes in die totale Mobilisierung des euphorischen Gemeinschaftsgefühls einzuführen, zementieren aber letztlich nur den Status quo: im Ausnahmefall der Weihnachtsgabe ändert sich gar nichts, zelebriert sich nur Herrschaft auf dem Fleisch der Zombies.

Die seelenlose Maschine. Mit George A. Romeros Zombie -Trilogie hat eine Veränderung in der Betrachtung stattgefunden. Nun ist der Andere inmitten des Sozialen anzutreffen, & das Tabu, das ihn hier trifft, ist das des Verlusts der Seele. Überall in der BRD hat sich dieser Zombie eingenistet, zappelt reflexartig in der gigantischen Industriemaschinerie, & obszön zeigen sich seine psychischen Deformationen. Die seelenlose Maschine trifft man z.B. bei McDonald's, sauber & adrett tauscht man dort neben Geld auch Wissen über die letzten Dinge: „Jesus forever“, „We are the world“, etc. Der Zombie ejakuliert in Pornokinos vor flackernden Schemen, überall haben sich die Haken des Fleischmarktes in ihn gegraben, er taumelt zuckend, angetrieben vom Motor des Warentauschs, der ihn dann schließlich der Abfallverwertung zuführt.

Schließlich noch der Untote, jener Zombie-Prototyp, der sich insbesondere in den Achtziger Jahren vehement vermehrte. Er ist verdammt dazu, nicht sterben zu können, hat die Herrschaft über sein eigenes Ende der gewalttätigen Maschine der Medien & deren Kapitalströme abgetreten. Diesen Zombie trifft man daher insbesondere im Kino & als elektronische Codierung auf Videotapes an, dort hat er sein Zeitgefängnis gefunden. Die bekanntesten Vertreter dieser Zombie-Variante heißen: Iggy Pop, David Bowie, die Buzzcocks, die Rolling Stones usw.

Der Zombie der Achtziger ist zeitgleich mit der Theorie der Post-Moderne, des Post-Histoire in Erscheinung getreten. Er bedeutet die Immunschwäche des Sozialen & eine Krise der industriellen Herrschaft über die Zeit. Heute noch sind die Zombies unterm Weihnachtsbaum, in den Neunzigern werden wir dann den „Dawn of the Dead“ in realtime erleben.

R. Stoert