Ein Hoffnungsschimmer für Nelson Mandela

Nach 28 Jahren Haft ist der prominente Gefangene ein wichtiger Gesprächspartner für Regierung und ANC geworden  ■ P O R T R A I T

Aus Johannesburg Hans Brandt

Zum 28. Mal verbringt Nelson Mandela dieses Jahr Weihnachten hinter Gittern. Wie schon im letzten Jahr haben sich auch diesmal Spekulationen, daß der Führer des verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und berühmteste Gefangene der Welt zu Weihnachten frei sein würde, nicht erfüllt. Doch seit letztem Dezember haben sich Mandelas Situation und die Südafrikas grundlegend verändert. Mandela ist inzwischen regelmäßig Gesprächspartner von Regierungsmitgliedern, und Verhandlungen zwischen ANC und Regierung bahnen sich an. Am vergangenen Dienstag durfte Mandela zum ersten Mal mit ANC-Generalsekretär Alfred Nzo von der Exilführung in Simbabwe telefonieren. Gestern verlautete in der regierungsnahen südafrikanischen Zeitung 'The Citizen‘, Mandela könne voraussichtlich Ende Januar oder Anfang Februar mit seiner Freilassung rechnen.

Mandelas neuer Status ist ein Zeichen für die Geschwindigkeit, mit der sich die festgefahrenen Fronten im vergangenen Jahr bewegt haben. Man könnte meinen, daß der Gesundheitszustand südafrikanischer Führer viel damit zu tun hatte.

Mandela selbst wurde im August 1988 mit Tuberkulose ins Krankenhaus eingeliefert - und plötzlich merkte die Regierung, daß auch der berühmte Gefangene sterblich ist. Um Mandela und die Welt zu beschwichtigen, wurde der ANC-Führer nach seiner Genesung nicht in seine alte Zelle zurückgebracht. Statt dessen zog er kurz vor Weihnachten letztes Jahr in die Luxusvilla eines Wärters auf dem Gelände des Victor-Verster-Gefängnisses bei Paarl, 50 Kilometer nördlich von Kapstadt.

Wenige Wochen später, im Januar, ereilte den südafrikanischen Präsidenten Pieter Botha der Hinweis der Sterblichkeit - er erlitt einen Schlaganfall, der ihn letztendlich zum Rücktritt zwang. Zuvor versuchte er allerdings noch, sich mit allen Mitteln an der Macht festzuhalten. Nur mit einem Putsch innerhalb der Nationalen Partei konnte Frederick de Klerk sich als Nachfolger durchsetzen.

Mandela war schon vor de Klerks Amtsübernahme mehrfach zu Gesprächen mit Justizminister Kobie Coetsee zusammengetroffen. In einer letzten Demonstration der Macht lud Botha selbst den ANC-Führer Anfang Juli in seinen Amtssitz zum Teekränzchen ein.

Aber unter de Klerks Amtsführung nahmen diese Kontakte einen fast offiziellen Charakter an. Gleichzeitig erhielt Mandela die Möglichkeit, fast beliebige Besucher zu sich einzuladen. So hat der ANC-Führer in den letzten Monaten ständig direkten Kontakt mit den politischen Entwicklungen in Südafrika gehabt. Viele Oppositionsführer, die ihn in in seiner Gefängnisvilla besucht haben, waren vorher oder nachher zum ANC-Hauptquartier in der sambischen Hauptstadt Lusaka gefahren. Dadurch besteht eine mehr oder weniger direkte Verbindung zwischen Lusaka und Mandela, und über Mandela auch mit der Regierung.

Bisheriger Endpunkt in dieser Entwicklung war Mitte Dezember das erste Treffen zwischen de Klerk selbst und Mandela. Zum zweiten Mal wurde der Gefangene in den Amtssitz des Präsidenten in Kapstadt geladen. Danach wurde offiziell erklärt, daß man über die Vorbedingungen für Verhandlungen gesprochen habe und sich im neuen Jahr wieder treffen werde.

De Klerk hat nicht nur durch Kontakte mit Mandela die Bedeutung des formell immer noch verbotenen ANC für eine friedliche Lösung in Südafrika anerkannt. Auch die Freilassung von Walter Sisulu und sieben anderen politischen Gefangenen, alten Kollegen Mandelas, hat dem ANC eine halblegale Präsenz innerhalb des Landes erlaubt.

Sisulu tritt offen als ANC-Vertreter auf, und es ist zu erwarten, daß er und seine Kollegen im Januar Pässe erhalten, um die ANC-Führung in Lusaka zu besuchen.

Das ist Teil der fast fieberhaften Bemühungen des ANC, sich auf Verhandlungen mit der Regierung vorzubereiten. Allerdings ist der ANC trotz der Eile, die geboten ist, in der Formulierung seiner Verhandlungsposition sehr viel weiter als de Klerks Regierung selbst.

Schon im Juni wurde in internen Diskussionspapieren der Opposition die Notwendigkeit erkannt, so schnell wie möglich eine Verhandlungsposition zu formulieren und dafür international Unterstützung zu gewinnen. Resultat war die sogenannte „Erklärung von Harare“, die in der simbabwischen Hauptstadt von der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) ratifiziert wurde. Diesem Beispiel folgten sowohl die blockfreien Staaten und die UNO als auch eine große Anti -Apartheid-Konferenz in Johannesburg.

Die Konferenz betonte allerdings auch die Notwendigkeit, den Druck auf die Regierung noch zu verschärfen. „Wir sind davon überzeugt, daß die Regierung von de Klerk ein Interesse weder an der Schaffung eines demokratischen Südafrikas noch an echten Verhandlungen hat“, befand die Konferenz.

Tatsächlich hat de Klerk durch die Freilassungen politischer Gefangener, durch die Zulassung großer Anti -Apartheid-Demonstrationen und durch eine Reihe von auffallend reformorientierten Reden zwar ein Klima hoher Erwartungen geschaffen. Doch eine konkrete Ausformulierung seiner politischen Pläne fehlt bisher.

De Klerk hat lediglich immer wieder betont, daß er ein neues Südafrika wünscht, in dem „keine Gruppe von anderen behrrscht werden kann“ - in dem also die Weißen nicht unter einer schwarzen Mehrheitsregierung leben müssen. Diese Idee ist noch weit entfernt von dem einheitlichen, demokratischen und nichtrassistischen Land, das sich der ANC vorstellt.

Für de Klerk gibt es allerdings keinen Weg zurück. Die Erwartungen, die er geschaffen hat, sind zu hoch, ein Rückzug hätte zu schwere Folgen. So kann man hoffen, daß Nelson Mandela 1989 zum letzten Mal Weihnachten in Gefangenschaft verbringen wird.